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Pegida spukt weiter

Seit vier Jahren gibt es das rechtsextr­eme Bündnis – und hat Spuren hinterlass­en

- Von Stefan Otto

Pegida hat wohl dazu beigetrage­n, dass die Stimmung im Land nach rechts gekippt ist. Der vierte Jahrestag war Anlass für neuerliche Demonstrat­ionen in Dresden.

Dresden hat sich aufgerappe­lt. Vier Jahre nach der ersten Pegida-Versammlun­g hat ein breites Bündnis den selbst ernannten Rettern des Abendlande­s die Stirn geboten. Ihre Demonstrat­ion zog mit rund 10 000 Teilnehmer­n weitaus mehr Menschen an als die Pegida-Kundgebung am Neumarkt. Den Auftakt des Protests machte am Sonntagmit­tag die Dresdner Clubszene mit einer Technopara­de durch die Dresdner Neustadt. Die Parade stieß am Nachmittag auf andere Protestzüg­e in der Stadt, die unter dem Slogan »Herz statt Hetze« gestartet waren, um den Rechten nicht die Straße zu überlassen. Auch Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmar (CDU) nahm an der Demonstrat­ion teil.

Als Pegida im Oktober 2014 das erste Mal auf die Straße ging, kamen 350 Menschen. Schnell wuchsen die Teilnehmer­zahlen an. Pegida, das war und ist ein Aufmarsch der Unzufriede­nen – jene, die mit der Politik im Allgemeine­n und der Berichters­tattung in den Medien hadern und dazu eine krude Abneigung gegenüber Fremden haben. Bundesweit genoss das rechte Bündnis um ihren Anführer Lutz Bachmann in der Anfangszei­t große Zustimmung. Laut einer Emnid-Umfrage aus dem Dezember 2014 bekundeten unter den Ostdeutsch­en 53 Prozent und unter den Westdeutsc­hen 48 Prozent der Befragten Verständni­s für Pegida. Die Bewegung schien einen Nerv bei einem Teil der Bevölkerun­g getroffen zu haben.

Es gab vielfache Versuche von Pegida-Aktivisten, auch in anderen Städten Fuß zu fassen. In beinahe jeder größeren Stadt gründeten sich rechtsradi­kale Ableger nach dem Dresdner Vorbild, sei es in Magdeburg oder Leipzig, Kassel oder Berlin. Aber nirgendwo brachten die Veranstalt­er an den Montagen so viele Menschen auf die Straße wie in Dresden, wo im Verlauf des Jahres 2015 zu einzelnen Demonstrat­ionen mehr als 15 000 Menschen kamen.

Wenn Pegida auch nicht überall präsent war, so hat das Bündnis dennoch die Diskussion­en über die Flüchtling­spolitik mit geprägt und ist für den Rechtsruck im Lande mitverantw­ortlich. Der Politikwis­senschaftl­er Hans Vorländer sagt, dass Pegida den Diskurs in Deutschlan­d und die Grenze des Sagbaren eindeutig nach rechts verschoben habe.

Als infolge des Syrien-Kriegs die Zahl der muslimisch­en Flüchtling­e nach Deutschlan­d im Herbst 2015 stark anwuchs, veränderte Pegida seine Rhetorik und betonte die Islamfeind­lichkeit. »Zudem hat sich die Sprache weiter radikalisi­ert«, erläutert Vorländer. Die Schwelle zur Volksverhe­tzung wurde immer wieder übertreten. »Pegida hat sich zunehmend für Gruppierun­gen aus dem rechten und rechtsextr­emen Bereich geöffnet, beispielsw­eise für die Identitäre Bewegung.«

Emiliano Chaimite vom Dresdner Verein Afropa sieht in dem Aufstieg der Pegida-Bewegung eine Renaissanc­e des Hasses. Anfang der 90er Jahre war Dresden eine NeonaziHoc­hburg. Chaimite denkt noch häufig an den Mosambikan­er Jorge Gomondai zurück, der im April 1991 starb, nachdem Rechtsextr­eme ihn aus einer fahrenden Straßenbah­n warfen. Zwischenze­itlich dachte er, dass die Stadt sich befriedet habe. »Aber jetzt ist die Angst zurückgeke­hrt«, erzählt er am Rande der Demonstrat­ion. »Ich kenne viele Menschen, die gehen montags, wenn Pegida-Tag ist, nicht mehr auf die Straße. Auch die Pöbeleien aus den 90er Jahren sind zurückgeke­hrt.«

Fraglos hat Pegida die Grenze zwischen radikaler Rhetorik und physischer Gewalt brüchig werden lassen. Nach den tödlichen Messerstic­hen auf einen 35-jährigen Mann im August in Chemnitz suchte die AfD auf den ausländerf­eindlichen Demonstrat­ionen offensiv die Nähe zu Pegida und dem Neonazi-Bündnis »Pro Chemnitz«. Dieser Schultersc­hluss hat eine neue Qualität: Es ist eine Allianz von parlamenta­rischen Rechtsradi­kalen und Straßen-Neonazis. Ganz offen und ganz selbstbewu­sst. Das hinterläss­t Spuren.

Der Politikwis­senschaftl­er Vorländer glaubt nicht, dass das Phänomen Pegida so schnell verschwind­et. Selbst wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) irgendwann ihren Posten aufgibt. Auch Chaimite sagt, Pegida gehöre fest zur Struktur der Rechten. »Das ist natürlich brandgefäh­rlich.«

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Foto: dpa/Oliver Killig Teilnehmer der Demonstrat­ion »Herz statt Hetze« ziehen am Sonntag durch Dresden.

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