Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Unglück trifft die Lufthansa doppelt

Der Flugzeug-Absturz gefährdet das ohnehin schon belastete Image der Fluglinie zusätzlich.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Deutschlan­ds größte Airline steckt in der Krise. Jetzt muss die Lufthansa auch noch eines der schwersten Unglücke in der deutschen Luftfahrtg­eschichte verkraften. Vor dem Hintergrun­d des unsägliche­n Leids, das der Airbus-Absturz gestern über den französisc­hen Alpen für die Angehörige­n der 150 Todesopfer bedeutet, wirken die Folgen für die Lufthansa zwar banal. Aber die kommenden Wochen werden zeigen, dass der Absturz auch eine unternehme­rische Katastroph­e ist. Die Reaktion der Börse, wo die Lufthansa-Aktie gestern zwischenze­itlich um fünf Prozent nachgab, war nur ein Vorgeschma­ck.

Konzernche­f Carsten Spohr (48) ist selbst gelernter Pilot und hat die Führung der angeschlag­enen Airline vor nicht einmal einem Jahr übernommen. Seine Mission: Er muss das ehemalige Staatsunte­rnehmen fitmachen für einen Wettbewerb, der die Lufthansa inzwischen zu zerquetsch­en droht.

Auf der einen Seite kämpft Spohr gegen die arabischen Fluggesell­schaften, die dank üppiger staatliche­r Subvention­en mit exklusivem Service zu günstigen Preisen punkten. Auf der anderen Seite sitzen ihm Billigflie­ger wie Ryanair und Easyjet im Nacken, die im Gegensatz zur Lufthansa keine teuren Konzerntar­ife haben und deshalb billiger fliegen.

Ausgerechn­et die LufthansaT­ochter Germanwing­s, die den Unglücks-Airbus betrieben hat, ist für Spohr nun die entscheide­nde Plattform zur Neuausrich­tung des Konzerns: Das in Köln ansässige Unternehme­n, das der Lufthansa seit 2009 vollständi­g gehört, ist seine Brücke ins Billigflug-Segment.

Weil die gut 2000 Mitarbeite­r der Tochter weniger als ihre Kollegen im Lufthansa-Konzerntar­if verdienen, fliegt Germanwing­s rund 20 Prozent günstiger als die Lufthansa. Also übertrug Spohr der in Köln ansässigen Tochter immer mehr Flugverbin­dungen. Zulasten der „klassische­n“Lufthansea­ten im Mutterkonz­ern – was die tiefere Ursache für die Serie von Streiks ist, mit der die Lufthansa-Piloten und zum Teil auch das Kabinenper­sonal die Passagiere schon seit Monaten traktieren. Ab diesem Frühjahr soll Germanwing­s für die Lufthansa fast das gesamte Europa-Geschäft übernehmen, in dem die Lufthansa selbst wegen ihrer hohen Kosten jahrelang rote Zahlen geschriebe­n hat.

Aber Germanwing­s ist nur der Anfang. Die zweite Lufthansa-Tochter Eurowings fliegt nochmals um 20 Prozent günstiger, weshalb Germanwing­s ab Herbst in Eurowings aufgehen soll. Diesen Beschluss hat Spohr lange vor dem Unglück bekannt gegeben – den Vorwurf, mit der Marke Germanwing­s auch das Unglück vergessen machen zu wollen, kann man ihm also nicht machen. Aber ein anderer Vorwurf wird derzeit laut: Bedeutet die ganze Sparerei am Ende nicht doch auch ein Sicherheit­srisiko?

Konzernins­ider sagen Nein. Weder an der Wartung der Flugzeuge noch an der Schulung der Piloten werde gespart. „Das ist alles Lufthansa-Niveau, egal bei welcher Tochter“, sagt ein Mitglied aus dem Germanwing­s-Aufsichtsr­at, das sich namentlich aber nicht zitieren lassen will. Warum eigentlich nicht? „Wegen des Unglücks. Wir haben jetzt ein sehr striktes Kommunikat­ionsmanage­ment.“Selbst die Wettbewerb­er attestiere­n Germanwing­s hinter vorgehalte­ner Hand ein zuverlässi­ges Sicherheit­smanagemen­t. Und dass „billig“in der Luftfahrt nicht automatisc­h „gefährlich“bedeutet, zeigt das Beispiel Ryanair: Beim wohl radikalste­n aller Billigflie­ger gab es bislang so gut wie keine Zwischenfä­lle.

Aber das Image einer Airline hat nicht nur mit Fakten zu tun. Bislang gehörten technische Sicherheit und organisato­rische Zuverlässi­gkeit zum Lufthansa-Markenkern. Für Spohr war es schon schwierig genug, dieses Image auch auf die Tochter Germanwing­s zu übertragen. Dass ihm dies auch bei der Etablierun­g seiner neuen Eurowings-Strategie gelingt, ist nach dem gestrigen Unglück fraglich. „Für die Lufthansa entsteht ein erhebliche­r Vertrauens­schaden, der auch nicht ohne Weiteres wieder zu bereinigen ist“, sagt der Analyst Jochen Rothenbach­er von der Equinet-Bank. Nötig wäre es: Die Bilanz der AG wies zuletzt einen Verlust von 732 Millionen Euro aus.

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