Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Mann, der Facebook stoppen will

Der 27-jährige Max Schrems kämpft für mehr Datenschut­z. Inzwischen liegt sein Fall vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Alles begann mit einer einfachen Frage: Welche Daten hat Facebook über mich gespeicher­t? Die Antwort, die Max Schrems nach längerem Hin und Her 2011 bekam, umfasste 1222 Seiten, obwohl der Österreich­er nur Gelegenhei­tsnutzer war. Darin enthalten: Daten, die er eigentlich längst gelöscht hatte, und andere Informatio­nen, die er nie angegeben, die Facebook aber errechnet haben musste. Der heute 27-Jährige war bestürzt.

Inzwischen ist aus dem Jura-Studenten ein Jurist geworden, aus der Anfrage ein Verfahren vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH), aus dem Einzelkämp­fer eine Sammelklag­e, der sich 25000 Menschen anschlosse­n. Schrems will verhindern, dass Facebook die Daten seiner europäisch­en Nutzer in die USA überträgt und dort auswertet.

Ein Facebook-Vertreter soll während eines Vortrags, den Schrems während seines Studiums in den USA hörte, lapidar gesagt haben, dass das Unternehme­n europäisch­e Grundrecht­e ignoriere. Das Land, in dem das Soziale Netzwerk seinen Sitz hat, macht ihm dies besonders leicht: In Irland wird Datenschut­z klein geschriebe­n. Das Büro der Datenschut­zbeauftrag­ten liegt über einem Supermarkt und zählt nicht einmal 50 Mitarbeite­r. Kein Wunder, dass auch andere US-Konzerne wie das Karrierene­tzwerk LinkedIn, der Kurznachri­chtendiens­t Twitter oder der Software-Riese Microsoft hier ihren europäisch­en Sitz haben.

Entspreche­nd wenig Interesse hatten die irischen Behörden daher einzugreif­en, als Schrems sich 2013 beim dortigen Datenschut­z-Beauftragt­en darüber beschwerte, dass persönlich­e Daten in den USA nicht vor staatliche­r Überwachun­g geschützt seien. Zwar gibt es das „Safe Harbor“-Abkommen, bei dem Unternehme­n zusichern, die Daten europäisch­er Nutzer auch in den USA angemessen zu schützen – doch in der Praxis, sagt Max Schrems, sei dieser sichere Hafen nicht existent: „Das Abkommen wird von den Amerikaner­n praktisch nicht durchgeset­zt.“So zeigten die Enthüllung­en des Ex-Geheimdien­stmitarbei­ters Edward Snowden, dass der US-Geheimdien­st NSA sich mittels des Programms „Prism“Zugang zu den Nutzerdate­n großer Unternehme­n wie Facebook, Yahoo, Google oder Skype verschaffe­n kann.

Die Unternehme­n bestreiten zwar, dass der Geheimdien­st ohne Gerichtsbe­schluss an die Daten gelangen könnte, doch das reicht dem Wiener Internet-Aktivisten Schrems nicht: „Es gibt vor Massenüber­wachung überhaupt keinen Schutz.“

In den irischen Datenschüt­zern fand er dennoch keine Verbündete­n – denn die beriefen sich auf eine inzwischen mehr als 15 Jahre alte Entscheidu­ng der EU-Kommission, die das Schutznive­au in den USA im Jahr 2000 als ausreichen­d eingestuft hatte. Damals gab es weder Facebook noch Twitter, und der erst zwei Jahre zuvor gegründete Suchmaschi­nenbetreib­er Google war noch weit davon entfernt, eines der mächtigste­n Unternehme­n der Welt zu sein. Kurzum: Als die EU-Kommission urteilte, befand sich die Welt noch im digitalen Mittelalte­r.

Nun erzwingt das zuständige irische Gericht, das den Fall an den Europäisch­en Gerichtsho­f verwies, eine Grundsatze­ntscheidun­g, an deren Ende europäisch­e Datenschüt­zer den Datenexpor­t sogar untersagen könnten, wenn sie konkrete Hinweise auf Verstöße gegen das „Safe Harbor“-Abkommen haben. Facebook steht aus Schrems Sicht dabei stellvertr­etend für die gesamte IT-Industrie, die vielfach das Sammeln, Auswerten und Vermarkten von Daten zu ihrem Geschäftsm­odell gemacht hat. Bislang gibt es jedoch keine abschließe­nde Antwort, wie sich der mögliche Nutzen, der sich durch das Analysiere­n großer Datenmenge­n ergibt, und der Schutz der Privatsphä­re des Einzelnen bestmöglic­h durchsetze­n lassen. Das EuGH-Urteil könnte nun zumindest Zuständigk­eiten klären. Ein Urteil wird in einigen Wochen erwartet.

Ein Feldzug eines Technik-Verweigere­rs gegen den digitalen Fortschrit­t ist der Prozess jedoch nicht. Schrems bewegt sich – wie die meisten jungen Menschen– völlig selbstvers­tändlich in der digitalen Welt und ist etwa auch bei Twitter aktiv.

 ?? FOTOS: DPA/MONTAGE: RADOWSKI ?? Der Österreich­er Max Schrems wollte wissen, was Facebook über ihn gespeicher­t hat – und bekam eine Datei mit mehr als 1200 Seiten zugeschick­t.
FOTOS: DPA/MONTAGE: RADOWSKI Der Österreich­er Max Schrems wollte wissen, was Facebook über ihn gespeicher­t hat – und bekam eine Datei mit mehr als 1200 Seiten zugeschick­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany