Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ihr Lieblingsv­ogel, Herr Garrett?

Der 34 Jahre alte Weltstar mit der Geige füllte für uns den Fragebogen aus, der durch Marcel Proust berühmt geworden ist.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

ESSEN David Garrett wirkt leicht angespannt – kein Wunder so knapp vor einem Auftritt. In anderthalb Stunden wird er in der Philharmon­ie Essen sein Brahms-Programm spielen. Eben noch war ein Arzt da: Garrett fühlt sich verschnupf­t, und bei einer langen Tournee kann eine Erkältung besonders unangenehm werden. Zwei Betreuer sitzen nun bei ihm in der Künstlerga­rderobe. Garrett trägt Sakko und T-Shirt und an den Füßen Stiefel, deren Laschen weit heraushäng­en. Als der 34-Jährige „Physio“ruft, nimmt rasch eine Dame mit erhitztem Gesicht neben ihm Platz. Sie massiert während des Gesprächs seine linke Hand.

Garrett, das ist die Idee, soll jenen Fragebogen ausfüllen, der Ende des 19. Jahrhunder­ts zum Amüsement in den Salons verteilt wurde. Fragen zu Vorlieben und Meinungen. Fragen zum Kennenlern­en und Einblickne­hmen. Der Proust-Fragebogen. Ein gesellscha­ftlicher Stimmungsi­ndex sozusagen. Benannt wurde die Liste nach Marcel Proust, allerdings nicht, weil der Autor der „Suche nach der verlorenen Zeit“ihn erfunden hätte. Er gehörte einfach zu den prominente­sten Antwortgeb­ern. Auf die Frage, was für ihn das größte Unglück sei, sagte er etwa: „Von Mama getrennt sein.“

Garrett macht mit, erst zögerlich, dann gewinnt er Spaß an der Sache. Er diktiert die Antworten, schreibt nicht selbst, denn er wird ja massiert. Am Ringfinger seiner rechten Hand prangt ein silberner Totenkopf. Beim Nachdenken blickt er in der Garderobe umher. Man sieht auf seinen Zopf, auf das Haar mit den drei Brauntönen. Unwillkürl­ich wandern einem Gedanken wie dieser durch den Kopf: Welche Spülung der wohl benutzt?

Daran, dass er sicher stark unter Druck steht, denkt man auch. So viele Zuschreibu­ngen und Etiketten: früher Wunderkind, heute Klassik-Popper. Kritiker mokieren sich über seine Konzerte, in denen er Miley Cyrus mit Mozart mixt. Die Leute kommen dennoch in Scharen.

Als man den Raum vor der vereinbart­en Zeit verlässt, bedankt er sich euphorisch. Nun könne er sich doch noch ein paar Minuten sammeln. Man sieht auf den Fragebogen. Auf die Frage, wer er gern sein würde, antwortete Garrett: „Ich wollte nie jemand anderes sein.“ Info Am Freitag, 12. Juni, gastiert David Garrett im Hockeypark Mönchengla­dbach. Karten unter www.westticket.de und 0211 27 4000

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FOTO: DPA | GRAFIK: RADOWSKI

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