Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ihr Lieblingsvogel, Herr Garrett?
Der 34 Jahre alte Weltstar mit der Geige füllte für uns den Fragebogen aus, der durch Marcel Proust berühmt geworden ist.
ESSEN David Garrett wirkt leicht angespannt – kein Wunder so knapp vor einem Auftritt. In anderthalb Stunden wird er in der Philharmonie Essen sein Brahms-Programm spielen. Eben noch war ein Arzt da: Garrett fühlt sich verschnupft, und bei einer langen Tournee kann eine Erkältung besonders unangenehm werden. Zwei Betreuer sitzen nun bei ihm in der Künstlergarderobe. Garrett trägt Sakko und T-Shirt und an den Füßen Stiefel, deren Laschen weit heraushängen. Als der 34-Jährige „Physio“ruft, nimmt rasch eine Dame mit erhitztem Gesicht neben ihm Platz. Sie massiert während des Gesprächs seine linke Hand.
Garrett, das ist die Idee, soll jenen Fragebogen ausfüllen, der Ende des 19. Jahrhunderts zum Amüsement in den Salons verteilt wurde. Fragen zu Vorlieben und Meinungen. Fragen zum Kennenlernen und Einblicknehmen. Der Proust-Fragebogen. Ein gesellschaftlicher Stimmungsindex sozusagen. Benannt wurde die Liste nach Marcel Proust, allerdings nicht, weil der Autor der „Suche nach der verlorenen Zeit“ihn erfunden hätte. Er gehörte einfach zu den prominentesten Antwortgebern. Auf die Frage, was für ihn das größte Unglück sei, sagte er etwa: „Von Mama getrennt sein.“
Garrett macht mit, erst zögerlich, dann gewinnt er Spaß an der Sache. Er diktiert die Antworten, schreibt nicht selbst, denn er wird ja massiert. Am Ringfinger seiner rechten Hand prangt ein silberner Totenkopf. Beim Nachdenken blickt er in der Garderobe umher. Man sieht auf seinen Zopf, auf das Haar mit den drei Brauntönen. Unwillkürlich wandern einem Gedanken wie dieser durch den Kopf: Welche Spülung der wohl benutzt?
Daran, dass er sicher stark unter Druck steht, denkt man auch. So viele Zuschreibungen und Etiketten: früher Wunderkind, heute Klassik-Popper. Kritiker mokieren sich über seine Konzerte, in denen er Miley Cyrus mit Mozart mixt. Die Leute kommen dennoch in Scharen.
Als man den Raum vor der vereinbarten Zeit verlässt, bedankt er sich euphorisch. Nun könne er sich doch noch ein paar Minuten sammeln. Man sieht auf den Fragebogen. Auf die Frage, wer er gern sein würde, antwortete Garrett: „Ich wollte nie jemand anderes sein.“ Info Am Freitag, 12. Juni, gastiert David Garrett im Hockeypark Mönchengladbach. Karten unter www.westticket.de und 0211 27 4000