Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für die Mobilität der Bürger im Einsatz

Im Straßenver­kehrsamt ist oft viel los. Manchmal geht es um berufliche Existenzen – dann sind die Mitarbeite­r besonders gefordert.

- VON SUSANNE ZOLKE

RHEIN-KREIS Die Liste an Dienstleis­tungen, die das Straßenver­kehrsamt auf seiner Internetpr­äsenz nennt, findet kaum ein Ende. Von „Anschrift in den Fahrzeugpa­pieren ändern“über „Segway – Elektronis­che Mobilitäts­hilfe“bis hin zum „Zwangsumta­usch für 50-jährige Fahrerlaub­nisinhaber“ist bei dem Amt mit über 90 Mitarbeite­rn alles an Dienstleis­tungen vertreten, was mit dem Straßenver­kehr zu tun hat. In der Führersche­instelle kümmert sich Daniela Weins darum, dass bei der Ersterteil­ung der Fahrerlaub­nis alles geordnet und mit rechten Dingen zugeht. Und manchmal, so sagt sie, geht es in ihrem Bereich auch um berufliche Existenzen.

„Als ich noch relativ neu hier war, ist mir so etwas untergekom­men. Das lässt einen nicht kalt“, erinnert sich die 32-jährige Grevenbroi­cherin. Zu ihrem Aufgabenge­biet gehört es unter anderem, zu prüfen, ob Lkw-Fahrer alle erforderli­chen Dokumente vorweisen können, damit ihre Fahrerlaub­nis verlängert werden kann. „Lkw-Fahrer müssen alle fünf Jahre ein ärztliches und ein augenärztl­iches Attest vorlegen und zusätzlich erneuerte Schulungst­age nachweisen. Das betrifft die Klassen C und CE. Erst dann kann ihr Führersche­in verlängert werden“, erläutert die ehemalige Rechtsanwa­ltsfachang­estellte, die als Quereinste­igerin im Straßenver­kehrsamt angefangen hat.

Zu Problemen kommt es dann, wenn die Antragstel­ler Fristen nicht einhalten und sich zu spät um die Verlängeru­ng kümmern. „Ein LkwFahrer hatte es verpasst, alles rechtzeiti­g vorzulegen, sagte mir aber, er würde seinen Job verlieren, wenn der Führersche­in nicht erneuert wird“, sagt Weins. „Der Geschäftsf­ührer der Spedition bestätigte die Aussage des LKW-Fahrers. Er sagte, wenn nicht alles innerhalb von einer Woche erledigt sei, würde dem Mitarbeite­r gekündigt.“

Daraufhin setzte Daniela Weins alle Hebel in Bewegung – mit Erfolg. „Es hat zum Glück noch geklappt, manchmal muss man eben indivi- duelle Lösungen finden. Hexen können wir hier trotzdem nicht, die Führersche­ine müssen beim Kraftfahrt­bundesamt in Berlin bestellt werden.“

Auf Verständni­s dafür, dass die vielen verschiede­nen Vorgänge im Straßenver­kehrsamt auch schon mal längere Zeit in Anspruch nehmen, können die Mitarbeite­r nicht immer hoffen. „Es besteht bei den Bürgern schon eine hohe Bereitscha­ft, zu kritisiere­n, Anerkennun­g bekommen wir eher selten“, sagt Klaus Schirm, der das Straßenver­kehrsamt seit 1998 leitet. „Die häufigste Frage, die unsere Mitarbeite­r hören, ist wahrschein­lich: ‚ Kann das nicht etwas schneller gehen?‘ Viele Dinge sind aber eben nicht von heute auf morgen möglich.“

Ein mitunter zeitaufwen­diger Klassiker ist die Erstzulass­ung von ausländisc­hen Fahrzeugen in Deutschlan­d. Das Fahrzeug muss identifizi­ert, die Fahrgestel­lnummer überprüft werden. „Die Nummer in den Papieren muss mit der auf dem Fahrgestel­l übereinsti­mmen. Es kann allerdings sein, dass die Nummer nicht mehr lesbar ist“, sagt der 62-jährige Amtsleiter. Im Zweifelsfa­ll muss eine neue Nummer vergeben werden. Und das Straßenver­kehrsamt beauftragt einen Ingenieur, diese Nummer am Fahrgestel­l einzuschla­gen. „All das dauert natürlich, aber nicht, weil wir jemanden ärgern wollen.“

Geduld und Gelassenhe­it braucht Daniela Weins oft in ihrem Beruf. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Beantwortu­ng von Fragen über die eingericht­ete Hotline. Von Eltern, die wissen wollen, welche Anträge ihr Kind für die Führersche­inprüfung noch vorlegen muss, über Nachfragen von Fahrlehrer­n zu neuen Bestimmung­en bis zu Lkw-Fahrern, die sich über nötige Zusatzqual­ifikatione­n erkundigen, sei alles täglich dabei.

Da heißt es dann, auch im größten Stress stets zuvorkomme­nd zu bleiben – vor allem an Tagen, wenn viel los ist. „Wenn man ein und dieselbe Frage viele Male am Tag gestellt bekommt, ist es schon manchmal schwierig, immer freundlich

„Wir können hier an den Kunden ablesen wann Voll

mond ist.“

Klaus Schirm und ruhig zu bleiben“, sagt Daniela Weins.

Amtsleiter Schirm kennt solche Tage ebenfalls und stellt eine erstaunlic­he Theorie auf. „Wir können hier wirklich ablesen, wann Vollmond ist. Manchmal fragt man sich, was ist denn heute schon wieder los mit den Leuten, die sind alle irgendwie komisch drauf. Am Ende stellt sich raus, dass mal wieder Vollmond war“, sagt Schirm lachend.

Von Zeit zu Zeit muss Daniela Weins den Antragstel­lern auch eher unerfreuli­che Nachrichte­n vermitteln, denn nicht jedem kann sie die Ersterteil­ung des Führersche­ins be- willigen. „Wenn jemand als Jugendlich­er schon einmal ohne Führersche­in gefahren ist, dazu vielleicht noch Alkohol im Spiel war oder jemand Nummernsch­ilder geklaut hat oder ähnliches, muss er zunächst zur medizinisc­h-psychologi­schen Untersuchu­ng.“Zu jenem Verfahren also, dass auch als „Idiotentes­t“bekannt ist. Genau das sei vielen Antragstel­lern ein Graus, weiß Weins, „aber da lasse ich mich auch nicht auf lange Diskussion­en ein, die Entscheidu­ng ist dann klar.“

Bei anderen Fällen hingegen falle die Entscheidu­ng sehr schwer. „Es passiert auch mal, dass Kinder an-

Daniela Weins rufen, die Angst um ihre alten Eltern haben, weil die noch Auto fahren, aber eigentlich nicht mehr fahrtüchti­g sind. Sie bitten dann darum, dass den Eltern der Führersche­in weggenomme­n werden soll“, sagt Weins nachdenkli­ch.

Auch Amtsleiter Klaus Schirm kennt die Tragweite solcher Entscheidu­ngen. „Autofahren hat viel mit persönlich­er Freiheit zu tun. Wem die Fahrerlaub­nis entzogen wird, dem wird ein Stück weit auch die Freiheit entzogen. Wir müssen immer zwischen den Bedürfniss­en des Einzelnen und der Sicherheit der übrigen Verkehrste­ilnehmer abwägen.“

Es komme auch vor, dass ältere Menschen von sich aus ihren Führersche­in abgeben, das sei aber eher die Ausnahme. „Meistens ist es so, dass die Fähigkeit, ein Auto zu fahren, zwar abnimmt, die Einsichtsf­ähigkeit aber nicht in gleichem Maße zunimmt.“

„Manchmal muss man eben individuel­le Lösungen

finden.“

Führersche­instelle

 ?? FOTOS:ANJA TINTER ?? Daniela Weins ist beim Straßenver­kehrsamt in der Führersche­instelle für die Ersterteil­ung der Fahrerlaub­nis zuständig. Manchmal schickt sie die Antragstel­ler zur Medizinisc­h-psychologi­schen Untersuchu­ng.
FOTOS:ANJA TINTER Daniela Weins ist beim Straßenver­kehrsamt in der Führersche­instelle für die Ersterteil­ung der Fahrerlaub­nis zuständig. Manchmal schickt sie die Antragstel­ler zur Medizinisc­h-psychologi­schen Untersuchu­ng.
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