Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Terroristen missbrauchen den Islam“
Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide war am Donnerstag zu Gast beim „Dialog Zukunft“.
KAARST (barni) Professor Mouhanad Khorchide ist Soziologe, Islamwissenschaftler und Religionspädagoge. Sein Thema im Rahmen der Reihe „Dialog Zukunft“: „Islam ist Barmherzigkeit.“Immer wieder hob der gebürtige Beiruter, der in Münster lehrt, die Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum hervor. Wie spannungsgeladen die Thematik und seine Thesen sind, wurde auf den ersten Blick deutlich: Es war die erste Veranstaltung von „Dialog Zukunft“, die von Polizeikräften gesichert wurde.
Khorchide mahnte, nicht alle Probleme voreilig einer Religion zuzuschreiben. Er erinnerte daran, dass viele in Deutschland lebende Migranten nur über eine geringe Bildung verfügen, dass sie aus bil- dungsfernen Schichten stammen. Das, was im 7. Jahrhundert von Mekka aus verkündet wurde, habe eine ähnliche Botschaft wie das Christentum: „Nur die Verpackung und die Form ist eine andere, die Kernbotschaft ist dieselbe, in der 6. Sure beispielsweise gibt es auch die zehn Gebote.“Allerdings gebe es eine enorme Bandbreite bei der Interpretation des Islam.
Der Professor sprach von einem „humanistischen Gott“und er stellte klar: „Es geht nicht, Gott zu lieben und die Menschen zu verachten.“Der Koran dürfe zudem nicht wortwörtlich ausgelegt werden, man müsse stets berücksichtigen, zu welcher Zeit er geschrieben wurde. Khorchide gab ein Beispiel, wie wichtig diese Sichtweise ist: „Im Ko- ran steht, dass Brüder das Doppelte erben sollen wie ihre Schwestern. Vorher war es allerdings verpönt, dass Frauen überhaupt erben.“Der Prophet Mohammed habe mit dieser damals sehr progressiven Forderung die Stammesstrukturen sukzessive abbauen wollen.
Khorchide sagte vieles, was Fundamentalisten nicht gefallen dürfte. Wie dieses: „Jede Interpretation, die der Barmherzigkeit widerspricht, widerspricht der Botschaft Mohammeds.“Der Koran sei „ein Liebesbrief Gottes an die Menschen“. Der 43-Jährige sieht gerade in den ISTerroristen eine Chance für die Modernisierung des Islam: „Sie missbrauchen den Islam in einem Maße, dass selbst die Konservativsten unter den Muslimen erkennen, dass deren Auslegung mit ihrem Glauben nichts zu tun hat.“Im Koran gebe es auch nicht den Begriff der „Ungläubigen“.