Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was Deutschlan­d für Bootsflüch­tlinge tun kann

- VON JAN DREBES

BERLIN Welche Ausmaße die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer derzeit annimmt, verdeutlic­hen Zahlen der Vereinten Nationen. Demnach kamen 2014 rund 220000 Menschen über den riskanten Seeweg nach Südeuropa – dreimal mehr als 2011, auf dem Höhepunkt des Arabischen Frühlings. Und nach den jüngsten Katastroph­en mit rund 1500 ertrunkene­n Flüchtling­en seit Januar dürfte 2015 das bisher tödlichste Jahr werden. 2014 wurden noch insgesamt 3000 Tote im Mittelmeer gemeldet.

Angela Merkel (CDU)

Gestern gerieten erneut Boote mit Hunderten Menschen an Bord in Seenot. Vor Rhodos zerschellt­e ein Segelschif­f mit mehreren Dutzend Flüchtling­en; mindestens drei starben. Am Wochenende war ein Fischerboo­t unweit der italienisc­hen Insel Lampedusa gekentert. Weit mehr als 700 Menschen könnten gestorben sein – was das schlimmste Flüchtling­sunglück im Mittelmeer wäre. Nach Aussagen eines Überlebend­en waren 950 Menschen an Bord, darunter viele Kinder. Ein Mann aus Bangladesc­h gab an, viele Menschen seien im Laderaum eingeschlo­ssen gewesen.

Angesichts dieser Eindrücke ist in Deutschlan­d eine Debatte um nötige Konsequenz­en entbrannt. Dabei zeigt sich aber schon jetzt, dass es wohl keine schnell wirksamen Lösungen geben wird – schon gar nicht auf nationaler Ebene. Eine Verbesseru­ng der Situation kann, wenn überhaupt, nur gelingen, wenn die EU-Staaten zusammenar­beiten.

Und so dominieren in der Diskussion nun drei Aspekte, die die EUInnen- und Außenminis­ter gestern in Luxemburg besprochen haben: eine Ausweitung des aktuellen Seenotrett­ungsprogra­mms „Triton“im Mittelmeer, eine verstärkte Bekämpfung von Schleuserb­anden innerhalb und außerhalb der EU sowie eine Reform des Verteilung­ssystems von Flüchtling­en in Europa. Diese Punkte dürften daher auch am Donnerstag bei einem Sondergipf­el der EU-Staats- und Regierungs­chefs besprochen werden.

Beim Seenotrett­ungsprogra­mm war von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) gestern bereits eine Kehrtwende zu vernehmen. Vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskolleg­en sagte de Maizière: „Die Seenotrett­ung muss erheblich verbessert werden. Sie muss schnell

Italien organisier­t und europäisch finanziert werden.“Noch in der vergangene­n Woche hatte er einen solchen Schritt abgelehnt und das mit „Sogeffekte­n“begründet: Zu viel Seenotrett­ung würde den Schleppern in die Hände spielen, die die Flüchtling­e nur noch wenige Seemeilen aufs Meer bringen müssten. Mit dieser Argumentat­ion hatte Deutschlan­d darauf hingewirkt, dass das bisherige Rettungspr­ogramm der italienisc­hen Marine, „Mare Nostrum“, im Dezember auch aus Geldmangel eingestell­t wurde – obwohl die Einsatzkrä­fte innerhalb eines Jahres rund 140000 Menschen vor dem Ertrinken retten konnten. Das Nachfolgep­rogramm „Triton“beschränkt sich nun auf einen vergleichs­weise

54 Tote 11. Juni 2012

Bulgarien Schwarzes

Meer

aus Bangladesc­h

„Wir müssen alles dafür

tun, dass Menschen nicht weiter vor unserer Haustür umkommen“

Bundeskanz­lerin

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