Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bayern setzt alles auf die Karte Guardiola

In München tobt vor dem Spiel gegen Porto ein Machtkampf zwischen Traditiona­listen und Geschäftsl­euten.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Pep Guardiola hat neulich wieder geklagt. Das kommt schon mal vor. Niemand könne sich so richtig vorstellen, wie schwer das Leben als Fußballtra­iner manchmal sei, nämlich „sehr, sehr schwer“, hat er gesagt. Der beklagensw­erte Katalane büßt zurzeit für ein Jahreshono­rar von zwölf Millionen Euro mit der Verantwort­ung für den wichtigste­n deutschen Fußballklu­b. Und er steht ziemlich unter Druck, weil heute Abend bereits das größte Saisonziel des FC Bayern München auf dem Spiel steht. Der FC Porto kommt zum Rückspiel im Viertelfin­ale der Champions League (20.45 Uhr/ZDF). Die Münchner müssen schon einiges bieten, wenn sie das Blatt nach dem 1:3 im Hinspiel wenden wollen.

Das wollen sie natürlich, denn mit einer Saison, die internatio­nal bereits in der Runde der letzten Acht endet, kann niemand bei den Bayern zufrieden sein. Schon gar nicht die Dienstherr­en des Trainers, die für die nähere Zukunft ihres Klubs alles auf die Karte Guardiola setzen.

Der Coach ist der Leuchtturm für eine Neuausrich­tung der Bayern, die sich zunächst ganz weit entfernt von irgendwelc­hen Scheinwerf­ern vollzogen hat. In der Affäre um den fristlosen Rücktritt des Ärzteteams um den Münchner Starmedizi­ner Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt wurde sie sichtbar. Denn auch der „Doc“ist nur ein Stellvertr­eter für ein Lager.

Bei den Bayern stehen sich Traditiona­listen und Geschäftsl­eute gegenüber. Die Traditions­bewussten berufen sich auf die familiäre Klubatmosp­häre, als deren Begründer Uli Hoeneß gilt. Sie versammeln sich im Münchner Machtkampf hinter Müller-Wohlfahrt, der (kein Zufall) 38 Jahre Leibarzt der Bayern war. Die Geschäftsl­eute mit Vereinsbos­s Karl-Heinz Rummenigge an der Spitze wollen weg vom patriarcha­lischen Modell Hoeneß. In ihrem Wirtschaft­sbetrieb sind die Aufgaben klar verteilt. Die sportliche soll Guardiola gemeinsam mit dem für schlechte Laune gut bezahlten Sportvorst­and Matthias Sammer erledigen. Weil Guardiola nicht der Typ ist, mit dem jeder im Verein (was für ein Wort für diesen Wirtschaft­sbetrieb) in der Mittagspau­se ein Weißbier auf dem Viktualien­markt trinken will oder kann, passt er hervorrage­nd in Rummenigge­s Geschäftsm­odell. Darüber hinaus ist der Katalane nicht nur auf Außenwirku­ng bedacht, sondern auch ein anerkannt hochbefähi­gter Fußballleh­rer.

Deshalb würde Rummenigge gern den Vertrag verlängern, der zunächst mal bis 2016 befristet ist. Und um das Vertrauen zu verdeutlic­hen, lässt er dem Trainer alle Freiheiten. Guardiola hat sein eigenes Trainertea­m, das weitgehend aus Landsleute­n besteht, er bekommt seine Wunschspie­ler (unvergesse­n die Forderung: „Thiago oder nix“), und er darf offenbar die Kompetenz von Ärzten bestreiten. Rummenigge stellt sich hinter den Coach. Der Vereinsche­f soll nach übereinsti­mmenden Berichten den Krach mit Müller-Wohlfahrt nach der 1:3-Niederlage von Porto in die Kabine getragen haben.

Guardiola muss sich öffentlich mit der Rolle des Gegenspiel­ers identifizi­eren lassen. Er wird in die- sem Machtkampf nur zu den Siegern zählen können, wenn sich seine Mannschaft heute gegen Porto durchsetzt. Für ein Ausscheide­n würde er ebenso persönlich verantwort­lich gemacht wie für den Erfolg – ungeachtet aller Attacken auf die medizinisc­he Abteilung, der angeblich die Schuld an der Verletzung­smisere zugeschobe­n wird, die Bayerns Team internatio­nal so aus der Spur gebracht hat. Darum spielen die Bayern auch ein bisschen um die Zukunft ihres Übungsleit­ers. Der will davon aber nichts wissen. „Meine Zukunft ist Mittwoch Training, Donnerstag frei, Freitag Training, am Samstag gegen Hertha BSC die deutsche Meistersch­aft sichern und nächstes Jahr hier: Das ist meine Zukunft“, sagte er gestern.

Die Zukunft seines Klubs kann er zumindest beeinfluss­en. Es ist zwar ausgeschlo­ssen, dass Rummenigge die Neuausrich­tung auf sein Geschäftsm­odell bei einem so frühen Ausscheide­n aus der Champions League oder einem Scheitern an Dortmund im DFB-Pokal nächste Woche abbrechen würde. Sie würde allerdings mühsamer werden. Denn das Lager der Traditiona­listen hätte neue Munition. Und genau in diesem Fall würde Müller-Wohlfahrt von einem Leuchtturm seines Lagers zu einem Kronzeugen. Er hat schließlic­h angekündig­t, „zur gegebenen Zeit“mehr über die Gründe seines Rücktritts zu sagen. Der Konflikt könnte also noch zu einer echten Krise werden. Guardiolas Team hat es in der Hand. Champions League, Viertelfin­alRückspie­l: FC Bayern München - FC Porto (heute, 20.45 Uhr/ZDF)

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FOTO: DPA Der Trainer als Tänzer: Pep Guardiola gibt Anweisunge­n.

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