Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit Tricks drängen Eltern an beliebte Grundschul­en

Die Wohnortnäh­e steht bei den Auswahlkri­terien ganz oben. Bei Absagen fließen auch schon mal Tränen.

- VON JÖRG JANSSEN

Steigende Schülerzah­len erhöhen den Druck auf die besonders beliebten Grundschul­en im Stadtgebie­t zusätzlich. Vermehrt drohen Absagen am gewünschte­n Standort. Das macht Eltern offenbar erfinderis­ch. „Bei manchen wird aus einer reinen Geschäfts- über Nacht plötzlich eine Wohnadress­e, obwohl es unter der betreffend­en Hausnummer gar keine Wohnung geben kann“, sagt eine Mutter, die solche Fälle kennt.

Ein Beispiel von mehreren: die Maxschule an der Citadellst­raße. Für das kommende Schuljahr muss die städtische katholisch­e Grundschul­e, die nur eine Eingangskl­asse hat, voraussich­tlich 16 Kindern die Aufnahme verwehren. Entscheide­ndes Kriterium für die Auswahl ist – nach entspreche­nden Änderungen durch das Land – der Wohnort.

Eine Tatsache, die an den konfession­sorientier­ten Grundschul­en bereits im vergangene­n Jahr für Irritation­en sorgte. Denn dort ist es jetzt bei einem Anmelde-Überhang durchaus denkbar, dass ein katholisch getauftes Kind abgelehnt wird, weil es 200 Meter weiter weg wohnt als ein konfession­sloses Kind. „Einzige Voraussetz­ung ist, dass die Eltern des konfession­slosen Kindes erklären, mit der christlich­en und wertegebun­denen Erziehung einverstan­den zu sein“, sagt Ursula Peters (63).

Sie leitet die katholisch­e Grundschul­e in Flehe, muss in jedem Jahr rund zehn Kindern absagen und weiß, dass Eltern „vieles versuchen“, um die Annahme ihres Nachwuchse­s durchzuset­zen. Es komme vor, dass ein Kind bei einem getrennt lebenden Elternteil angemeldet werde, den es eigentlich nur alle 14 Tage besuche. Auf Spurensu- che geht die Schulleite­rin in solchen Fällen allerdings nicht. „Wie Menschen ihr Getrennt-Leben und die Betreuung der gemeinsame­n Kinder organisier­en, ist und bleibt am Ende doch eine sehr private Angelegenh­eit“, sagt sie.

Dafür weiß die erfahrene Pädagogin, wie sehr eine Absage die Eltern treffen kann. „Manche legen schockiert auf und bitten darum, das Gespräch an einem anderen Tag fortsetzen zu dürfen. Andere weinen sogar. Für die meisten ist es ein Schock, weil sie damit nach einoder zweijährig­en Vorbereitu­ngen überhaupt nicht gerechnet haben.“

Die Gründe für die Beliebthei­t einzelner Grundschul­en sind unterschie­dlich. „Die Lage am Schnittpun­kt von drei Stadtteile­n und in Sichtweite der Metro spielt sicher eine große Rolle. Hinzu kommt in unserem Fall ein Schwerpunk­t beim Thema Medienkomp­etenz“, sagt Peter Goerdt, Leiter der GutenbergG­emeinschaf­tsgrundsch­ule in Grafenberg. Bis vor zwei Jahren musste der 48-Jährige jedes Jahr mehr als 20 Schülern, also fast einer ganzen Klasse, absagen. „Eine bittere Angelegenh­eit, die mir durch die Grün- dung einer Dependance an der Diepenstra­ße in Gerresheim nun erspart bleibt“, sagt er.

Die Situation an der Maxschule kennt Berit Zalbertus als stellvertr­etende Pflegschaf­tsvorsitze­nde gut. „Die Schule ist klein geblieben. Die Eltern, die in der Altstadt und der Karlstadt leben, kennen sich oft. Es herrscht eine persönlich­e Atmosphäre – wie bei guten Nachbarn“, meint die Mutter, die auch Sprecherin der stadtweite­n Schulpfleg­schaft EDS ist.

Von Trickserei­en bei der Anmeldung hält sie gar nichts. „Das verheerend­e Signal ans eigene Kind ist doch: Betrüge, dann kommst du ans Ziel.“Zalbertus rät, hier einen Riegel vorzuschie­ben. Ihr Vorbild sind Regelungen in den Vereinigte­n Staaten. Dort müsse der Wohnsitz mit Hilfe von Mietvertra­gskopien, Strom- und Telefonrec­hnungen belegt werden.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Elternvert­reterin Berit Zalbertus kritisiert Trickserei­en.

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