Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mit Tricks drängen Eltern an beliebte Grundschulen
Die Wohnortnähe steht bei den Auswahlkriterien ganz oben. Bei Absagen fließen auch schon mal Tränen.
Steigende Schülerzahlen erhöhen den Druck auf die besonders beliebten Grundschulen im Stadtgebiet zusätzlich. Vermehrt drohen Absagen am gewünschten Standort. Das macht Eltern offenbar erfinderisch. „Bei manchen wird aus einer reinen Geschäfts- über Nacht plötzlich eine Wohnadresse, obwohl es unter der betreffenden Hausnummer gar keine Wohnung geben kann“, sagt eine Mutter, die solche Fälle kennt.
Ein Beispiel von mehreren: die Maxschule an der Citadellstraße. Für das kommende Schuljahr muss die städtische katholische Grundschule, die nur eine Eingangsklasse hat, voraussichtlich 16 Kindern die Aufnahme verwehren. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl ist – nach entsprechenden Änderungen durch das Land – der Wohnort.
Eine Tatsache, die an den konfessionsorientierten Grundschulen bereits im vergangenen Jahr für Irritationen sorgte. Denn dort ist es jetzt bei einem Anmelde-Überhang durchaus denkbar, dass ein katholisch getauftes Kind abgelehnt wird, weil es 200 Meter weiter weg wohnt als ein konfessionsloses Kind. „Einzige Voraussetzung ist, dass die Eltern des konfessionslosen Kindes erklären, mit der christlichen und wertegebundenen Erziehung einverstanden zu sein“, sagt Ursula Peters (63).
Sie leitet die katholische Grundschule in Flehe, muss in jedem Jahr rund zehn Kindern absagen und weiß, dass Eltern „vieles versuchen“, um die Annahme ihres Nachwuchses durchzusetzen. Es komme vor, dass ein Kind bei einem getrennt lebenden Elternteil angemeldet werde, den es eigentlich nur alle 14 Tage besuche. Auf Spurensu- che geht die Schulleiterin in solchen Fällen allerdings nicht. „Wie Menschen ihr Getrennt-Leben und die Betreuung der gemeinsamen Kinder organisieren, ist und bleibt am Ende doch eine sehr private Angelegenheit“, sagt sie.
Dafür weiß die erfahrene Pädagogin, wie sehr eine Absage die Eltern treffen kann. „Manche legen schockiert auf und bitten darum, das Gespräch an einem anderen Tag fortsetzen zu dürfen. Andere weinen sogar. Für die meisten ist es ein Schock, weil sie damit nach einoder zweijährigen Vorbereitungen überhaupt nicht gerechnet haben.“
Die Gründe für die Beliebtheit einzelner Grundschulen sind unterschiedlich. „Die Lage am Schnittpunkt von drei Stadtteilen und in Sichtweite der Metro spielt sicher eine große Rolle. Hinzu kommt in unserem Fall ein Schwerpunkt beim Thema Medienkompetenz“, sagt Peter Goerdt, Leiter der GutenbergGemeinschaftsgrundschule in Grafenberg. Bis vor zwei Jahren musste der 48-Jährige jedes Jahr mehr als 20 Schülern, also fast einer ganzen Klasse, absagen. „Eine bittere Angelegenheit, die mir durch die Grün- dung einer Dependance an der Diepenstraße in Gerresheim nun erspart bleibt“, sagt er.
Die Situation an der Maxschule kennt Berit Zalbertus als stellvertretende Pflegschaftsvorsitzende gut. „Die Schule ist klein geblieben. Die Eltern, die in der Altstadt und der Karlstadt leben, kennen sich oft. Es herrscht eine persönliche Atmosphäre – wie bei guten Nachbarn“, meint die Mutter, die auch Sprecherin der stadtweiten Schulpflegschaft EDS ist.
Von Tricksereien bei der Anmeldung hält sie gar nichts. „Das verheerende Signal ans eigene Kind ist doch: Betrüge, dann kommst du ans Ziel.“Zalbertus rät, hier einen Riegel vorzuschieben. Ihr Vorbild sind Regelungen in den Vereinigten Staaten. Dort müsse der Wohnsitz mit Hilfe von Mietvertragskopien, Strom- und Telefonrechnungen belegt werden.