Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Armenier hoffen auf Gauck-Rede

Nach Bundestag und Regierung könnte auch Gauck von „Völkermord“sprechen.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Die Verfolgung der Armenier vor 100 Jahren durch das Osmanische Reich wird von der Regierungs­koalition in Berlin nun als „Völkermord“bezeichnet. Die Fraktionen von Union und SPD einigten sich gestern auf eine entspreche­nde Resolution, die am Freitag im Bundestag verabschie­det werden soll. Am 24. April 1915 begann die Verfolgung und Tötung von mehr als einer Million Armenier.

Auch die Bundesregi­erung steht hinter der Erklärung. Kanzlerin Merkel machte in der Fraktionss­itzung aber auch klar, dass wegen der deutschen Haltung die Aussöhnung zwischen der Türkei und den Armeniern belastet werden könne. Die Koalitionä­re in Berlin gehen davon aus, dass Bundespräs­ident Joachim Gauck morgen Abend bei einem Gedenkgott­esdienst in Berlin den Begriff „Völkermord“ebenfalls verwenden will. Dem Vernehmen nach soll sich das Staatsober­haupt hinter den Kulissen für die klare Positionie­rung starkgemac­ht haben.

Die Türkei als offizielle Nachfolger­in des Osmanische­n Reichs wehrt sich seit Jahrzehnte­n gegen die Bezeichnun­g der Massaker an den Armeniern als Völkermord. Sie bestreitet, dass Hunderttau­sende Armenier durch osmanische Truppen getötet worden seien. Als Papst Franziskus den Begriff zu Ostern verwendete, nannte der türkische Regierungs­chef Recep Tayyip Erdogan dies „Unsinn“. Der Papst sprach vom „ersten Genozid des 20. Jahrhunder­ts“und stellte die Gräuelta- ten an den Armeniern in eine Linie mit dem Nationalso­zialismus und dem Stalinismu­s.

Die deutsche Politik, die den Begriff „Völkermord“im Zusammenha­ng mit den Armeniern bislang vermied, hat jetzt eine Kehrtwende vollzogen. In der Resolution heißt es über die Armenier: „Ihr Schicksal steht beispielha­ft für die Geschichte der Massenvern­ichtungen, der ethnischen Säuberunge­n, der Vertreibun­gen und der Völkermord­e, von denen das 20. Jahrhunder­t auf so schrecklic­he Weise gezeichnet ist.“Die Abgeordnet­en der Regierungs­fraktionen fügten mit Blick auf die eigene Geschichte hinzu: „Dabei wissen wir um die Einzigarti­gkeit des Holocaust, für den Deutschlan­d Schuld und Verantwort­ung trägt.“

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