Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zoll hebt riesiges illegales Waffenlager aus
Nie zuvor haben Fahnder in Deutschland so viele Waffen gefunden wie in einem Haus in Schwerte.
ESSEN Im Kampf gegen den illegalen Waffenhandel hat der Zoll-Fahndungsdienst ein gewaltiges Arsenal im Wohnhaus eines 54 Jahre alten Familienvaters in Schwerte entdeckt. Mehr als 700 Lang- und Kurzwaffen sowie 2,2 Tonnen Munition stellte die schwer bewaffnete Eliteeinheit der Essener Zollbehörde unter anderem im Wohnzimmer und in der Küche des Hauses sicher. Es soll sich um den bislang größten illegalen Waffenfund in Deutschland handeln.
Der festgenommene Hausbesitzer, der bereits vor 13 Jahren seine Waffenhandelsgenehmigung verloren hatte, wickelte die Waffengeschäfte übers Internet ab. „Im Keller versperrten Waffen den Zugang zur Waschmaschine, alles war voll. Unfassbar“, sagte eine Sprecherin des Zollfahndungsamtes. Die Munition lagerte direkt neben den Gewehren und Pistolen unter anderem auf Tischen und wurde nicht wie gesetzlich vorgeschrieben getrennt von den Waffen aufbewahrt.
In dem Haus, das mitten in der Schwerter Innenstadt steht, wohnte der Festgenommene mit seiner Frau und zwei minderjährigen Kindern. „Es ist unvorstellbar, wie ein Mensch aus Gewinnsucht seine Familie derart in Gefahr bringen kann“, so die Sprecherin. Auch ein Schießstock und ein Stockdegen wurden bei der zwei Tage andauernden Durchsuchung des Einfami- lienhauses im vergangenen Monat gefunden.
Im Visier der Ermittler des Essener Zollfahndungsamtes, das dem Bundesfinanzministerium untersteht und zuständig für ganz NRW und Teile Niedersachsens ist, befinden sich neben illegalen Waffenschiebern so ziemlich alle Bereiche der organisierten Kriminalität. „Wir kümmern uns nur um die wirklich schweren Fälle“, betont Regierungsdirektor und Behördenchef HansJoachim Brandl (60). Im vergangenen Jahr hat seine Behörde gegen 4600 Beschuldigte ermittelt. 415 Haftbefehle mit zusammengerechnet 1000 Jahren Freiheitsstrafe wurden vollstreckt. Der durch die Täter entstandene Steuerschaden liegt bei rund 75,6 Millionen Euro.
Zunehmend Sorgen bereiten den Fahndern die Zigarettenschmuggler, die deutlich gewaltbereiter seien als noch vor einigen Jahren. Wie brutal diese Tätergruppe mittlerweile vorgeht, zeigt ein Fall aus Eupen. Dort haben sich vor wenigen Monaten zwei rivalisierende Banden mit Waffen eine Auseinandersetzung mit Geiselnahme in einer Lagerhalle geliefert, die als Produktionsstätte diente. „Die eine Gruppierung hat unter Waffengewalt versucht, die andere aus dem Geschäft zu drängen und deren Anlagen zu übernehmen“, so eine Sprecherin des Zolls. Die Fahnder nahmen die Täter fest und griffen dabei auch illegale Arbeiter aus Rumänien und Moldawien auf, die in der Lagerhalle täglich 20000 Stangen Zigaretten produzierten. Allein durch diese Bande sei ein Steuerschaden von etwa 50 Millionen Euro entstanden.
Immer größeren Raum in den Ermittlungen des Zolls, deren Fahnder bei Einsätzen ähnlich ausgerüstet sind wie Spezialeinsatzkommandos der Polizei, nimmt das Thema Geldwäsche ein. „Wir können so an alle Grunddelikte herankommen“, erklärt Brandl. Doch es werde immer schwerer, sagt er, gegen die Kriminellen effizient vorzugehen und überhaupt erst an sie heranzukommen. „Die Täter haben sich verändert, haben technisch massiv aufgerüstet“, sagt der Top-Fahnder und warnt: „Personell haben wir die Grenzen des Machbaren schon überschritten. Alle schieben gewaltige Überstunden vor sich her.“