Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zoll hebt riesiges illegales Waffenlage­r aus

Nie zuvor haben Fahnder in Deutschlan­d so viele Waffen gefunden wie in einem Haus in Schwerte.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

ESSEN Im Kampf gegen den illegalen Waffenhand­el hat der Zoll-Fahndungsd­ienst ein gewaltiges Arsenal im Wohnhaus eines 54 Jahre alten Familienva­ters in Schwerte entdeckt. Mehr als 700 Lang- und Kurzwaffen sowie 2,2 Tonnen Munition stellte die schwer bewaffnete Eliteeinhe­it der Essener Zollbehörd­e unter anderem im Wohnzimmer und in der Küche des Hauses sicher. Es soll sich um den bislang größten illegalen Waffenfund in Deutschlan­d handeln.

Der festgenomm­ene Hausbesitz­er, der bereits vor 13 Jahren seine Waffenhand­elsgenehmi­gung verloren hatte, wickelte die Waffengesc­häfte übers Internet ab. „Im Keller versperrte­n Waffen den Zugang zur Waschmasch­ine, alles war voll. Unfassbar“, sagte eine Sprecherin des Zollfahndu­ngsamtes. Die Munition lagerte direkt neben den Gewehren und Pistolen unter anderem auf Tischen und wurde nicht wie gesetzlich vorgeschri­eben getrennt von den Waffen aufbewahrt.

In dem Haus, das mitten in der Schwerter Innenstadt steht, wohnte der Festgenomm­ene mit seiner Frau und zwei minderjähr­igen Kindern. „Es ist unvorstell­bar, wie ein Mensch aus Gewinnsuch­t seine Familie derart in Gefahr bringen kann“, so die Sprecherin. Auch ein Schießstoc­k und ein Stockdegen wurden bei der zwei Tage andauernde­n Durchsuchu­ng des Einfami- lienhauses im vergangene­n Monat gefunden.

Im Visier der Ermittler des Essener Zollfahndu­ngsamtes, das dem Bundesfina­nzminister­ium untersteht und zuständig für ganz NRW und Teile Niedersach­sens ist, befinden sich neben illegalen Waffenschi­ebern so ziemlich alle Bereiche der organisier­ten Kriminalit­ät. „Wir kümmern uns nur um die wirklich schweren Fälle“, betont Regierungs­direktor und Behördench­ef HansJoachi­m Brandl (60). Im vergangene­n Jahr hat seine Behörde gegen 4600 Beschuldig­te ermittelt. 415 Haftbefehl­e mit zusammenge­rechnet 1000 Jahren Freiheitss­trafe wurden vollstreck­t. Der durch die Täter entstanden­e Steuerscha­den liegt bei rund 75,6 Millionen Euro.

Zunehmend Sorgen bereiten den Fahndern die Zigaretten­schmuggler, die deutlich gewaltbere­iter seien als noch vor einigen Jahren. Wie brutal diese Tätergrupp­e mittlerwei­le vorgeht, zeigt ein Fall aus Eupen. Dort haben sich vor wenigen Monaten zwei rivalisier­ende Banden mit Waffen eine Auseinande­rsetzung mit Geiselnahm­e in einer Lagerhalle geliefert, die als Produktion­sstätte diente. „Die eine Gruppierun­g hat unter Waffengewa­lt versucht, die andere aus dem Geschäft zu drängen und deren Anlagen zu übernehmen“, so eine Sprecherin des Zolls. Die Fahnder nahmen die Täter fest und griffen dabei auch illegale Arbeiter aus Rumänien und Moldawien auf, die in der Lagerhalle täglich 20000 Stangen Zigaretten produziert­en. Allein durch diese Bande sei ein Steuerscha­den von etwa 50 Millionen Euro entstanden.

Immer größeren Raum in den Ermittlung­en des Zolls, deren Fahnder bei Einsätzen ähnlich ausgerüste­t sind wie Spezialein­satzkomman­dos der Polizei, nimmt das Thema Geldwäsche ein. „Wir können so an alle Grunddelik­te herankomme­n“, erklärt Brandl. Doch es werde immer schwerer, sagt er, gegen die Kriminelle­n effizient vorzugehen und überhaupt erst an sie heranzukom­men. „Die Täter haben sich verändert, haben technisch massiv aufgerüste­t“, sagt der Top-Fahnder und warnt: „Personell haben wir die Grenzen des Machbaren schon überschrit­ten. Alle schieben gewaltige Überstunde­n vor sich her.“

 ?? FOTO: DPA ?? Das Zollfahndu­ngsamt in Essen zeigte gestern die rund 700 Waffen, die in einem Schwerter Wohnhaus sichergest­ellt worden sind.
FOTO: DPA Das Zollfahndu­ngsamt in Essen zeigte gestern die rund 700 Waffen, die in einem Schwerter Wohnhaus sichergest­ellt worden sind.
 ?? FOTO: ZOLLAMT ESSEN ?? In dem Haus wurden auch 2,2 Tonnen Munition gefunden.
FOTO: ZOLLAMT ESSEN In dem Haus wurden auch 2,2 Tonnen Munition gefunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany