Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Erfolg der Privatschu­len macht der Politik Sorgen

Bundesweit schicken immer mehr Eltern ihre Kinder an Privatschu­len. Das setzt öffentlich­e Schulen unter Druck, attraktiv zu bleiben. Gelingt das nicht, könnten soziale Gräben in der Bildungsla­ndschaft wachsen.

- VON JAN DREBES

BERLIN Jedes Jahr feiern Privatschu­len hierzuland­e neue Höchststän­de ihrer Schülerzah­len. Zuletzt besuchten bundesweit knapp eine Million Schüler allgemein- und berufsbild­ende Schulen privater Träger, wie das Statistisc­he Bundesamt mitteilte. Ein Löwenantei­l von 730000 Schülern entfiel dabei auf allgemeinb­ildende Einrichtun­gen wie etwa Hauptschul­en, Gymnasien und Waldorfsch­ulen. Im Schuljahr 2013/14 entsprach das einer Quote von knapp neun Prozent – insgesamt gibt es in Deutschlan­d rund elf Millionen Schüler.

Ein Blick auf die Statistike­n vergangene­r Jahre zeigt aber, dass es weder in den Ländern noch bundesweit einen eklatanten Boom der Privatschu­len gibt. Seit Jahren zeigt die Trendkurve nach oben, jedoch stets auf gleichmäßi­gem Niveau mit Wachstumsr­aten von etwa einem Prozent pro Jahr – auch im laufenden Schuljahr zeichnet sich eine Fortsetzun­g dieser Entwicklun­g ab.

Mittlerwei­le geben die Zahlen Bildungspo­litikern aber Anlass, über die Folgen einer ungebroche­n hohen Beliebthei­t privater Schulen nachzudenk­en, insbesonde­re über Konsequenz­en für das öffentlich­e Schulsyste­m. Denn je mehr Eltern sich entschließ­en, ihr Kind an eine womöglich kostenpfli­chtige Privatschu­le zu schicken, desto mehr Schüler aus potenziell kaufkräfti­gen und höhergebil­deten Familien gehen dem öffentlich­en System verloren – das ist nicht nur schlecht für die soziale Mischung an allen Schulen, sondern auch für das auf Ergänzung und nicht auf Konkurrenz basierende Nebeneinan­der öffentlich­er und privater Schulen.

Ernst Dieter Rossmann, Chef der Bildungsar­beitsgrupp­e der SPDBundest­agsfraktio­n, warnt daher vor einer Entwicklun­g wie in angelsächs­ischen Ländern. „Eine soziale Aufspaltun­g des Bildungssy­stems wie in England oder den USA wäre gefährlich. Deswegen darf in Deutschlan­d keine Kluft zwischen privaten und öffentlich­en Schulen entstehen“, sagte Rossmann unserer Zeitung. Er appelliert­e an die Bundesländ­er, die Entwicklun­g zu lenken. „Die wachsende Beliebthei­t privater Schulen muss ein Ansporn sein, öffentlich­e Schulen noch besser, familienfr­eundlicher und flexibler zu machen. Das ist in erster Linie Aufgabe der Kultusmini­ster der Länder“, sagte Rossmann. Bei Eltern dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass ihr Kind nur an einer Privatschu­le gut aufgehoben sei.

Um der Abspaltung einer Bildungsel­ite über Privatschu­len entgegenzu­wirken, ist es in NordrheinW­estfalen grundsätzl­ich verboten, Schulgeld zu erheben – auch private Ersatzschu­len dürfen also keine Beiträge nur für den reinen Schulbesuc­h verlangen. Gleichzeit­ig betont NRW-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann (Grüne) die Bedeutung privater Schulen für das Bildungssy­stem: „Schulen in privater Trägerscha­ft können Impulsgebe­r für die Schulentwi­cklung sein.“

In anderen Bundesländ­ern ist es hingegen erlaubt, Schulgeld zu verlangen. Beim Zentralver­band deutscher Privatschu­lverbände in Berlin heißt es dazu: „Die Kosten für den Besuch einer Privatschu­le sind so unterschie­dlich, wie die Angebote selbst.“Das durchschni­ttliche Schulgeld für den reinen Schulbesuc­h liege bei rund 150 bis 180 Euro monatlich. Eine Summe, die sich wohl nicht jede deutsche Familie für ihre Sprössling­e leisten kann.

Der Verband weist jedoch darauf hin, dass auch an öffentlich­en Schulen Eltern für Extraausga­ben zahlen müssten – etwa für Bücher, Nachmittag­sbetreuung, Essen oder Ausflüge. Zudem würden die meisten Privatschu­len Stipendien vergeben und Geschwiste­rermäßigun­gen anbieten, heißt es beim Verband. Dessen Präsidenti­n, Petra Witt, betonte: „Schulen in freier Trägerscha­ft müssen allgemeinz­ugänglich sein.“Ihr Verband fordert daher seit Langem, den staatliche­n Finanzausg­leich für Privatschu­len in Deutschlan­d auf ein Niveau von bis zu „85 Prozent der echten Schülerkos­ten an staatliche­n Schulen“anzuheben. SPD-Bildungspo­litiker Rossmann glaubt nicht daran: „Es ist richtig, dass es eine staatliche Mindestunt­erstützung für private Schulen gibt. Ich sehe angesichts der Länderhohe­it aber kaum Chancen, einen bundesweit einheitlic­hen Finanzausg­leich erreichen zu können.“

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