Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Flüchtling­e sind in Europa ungleich verteilt

Politiker fordern ein Quotensyst­em. Der EU-Sondergipf­el soll morgen auch über einen Militärein­satz gegen Schlepperb­anden beraten.

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BERLIN (mar/may-/tor/zie) Aus dem bislang größten Flüchtling­sdrama mit mehr als 800 Toten sollte die Europäisch­e Union nach der Überzeugun­g des Fraktionsv­orsitzende­n der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), Manfred Weber, Konsequenz­en ziehen und das Engagement im Mittelmeer ausweiten. „Ich hoffe, dass die neuen Tragödien zu einem Umdenken führen“, sagte der EVP-Chef unserer Zeitung. Von dem morgigen Sondergipf­el der Staats- und Regierungs­chefs in Brüssel müsse das Signal ausgehen, dass Europa zusammenst­eht und „endlich handelt“. Das gelte etwa für die sofortige Ausweitung des „Triton“-Einsatzes zu einer umfassende­n Grenz- und Rettungsmi­ssion.

Katrin Göring-Eckardt

Nötig ist nach Meinung des CSUPolitik­ers ein Quotensyst­em für die Verteilung von Flüchtling­en in Europa. „Es kann nicht sein, dass fünf EU-Staaten den Großteil der Flüchtling­e aufnehmen und mit den Mittelmeer­anrainern die Hauptlast tragen“, betonte Weber. Da müsse sich etwas ändern. Die Flüchtling­sströme würden Europa noch viele Jahre fordern. „Alle stehen in der Pflicht, dieser außergewöh­nlichen Situation Herr zu werden.“

Zu dem von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) verlangten verschärft­en Vorgehen gegen Schlepper passte die Meldung Italiens, mehrere Verdächtig­e festgenomm­en zu haben. Die Aktion richtete sich gegen den tunesische­n Kapitän des gesunkenen Schiffes und einen syrischen Seemann. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Kapitän mehrfache fahrlässig­e Tötung, Herbeiführ­en eines Schiffbruc­hs und Begünstigu­ng illegaler Einwanderu­ng vor. Der Seemann muss sich lediglich wegen Begünstigu­ng verantwort­en.

Die mutmaßlich­en Schleuser sollen von Flüchtling­en unter den 28 Überlebend­en des jüngsten Unglücks erkannt worden sein. In Sizilien nahm die Polizei zudem drei mutmaßlich­e Schleuser aus Syrien fest, die fast 100 Migranten auf einer Jacht nach Italien gebracht hatten. Die vor dem Bürgerkrie­g in Syrien geflüchtet­en Menschen hätten bis zu 8500 Euro für eine Fahrt von der Türkei aus bezahlt. Wegen eines Motorschad­ens sei die Jacht nicht mehr steuerbar gewesen.

Der Sondergipf­el in Brüssel dreht sich auch um einen möglichen EUMilitäre­insatz, der sich nach dem Vorbild der Anti-Piraten-Mission am Horn von Afrika auf die Zerstörung von Schiffen beziehen soll. Laut EU-Kommission haben die Schleuserb­anden schon jetzt nicht genügend Schiffe, um die täglich zu Tausenden eintreffen­den Flüchtling­e von der Küste Libyens nach Europa zu bringen. „Häufig werden unsere Seenotrett­er, nachdem sie die Flüchtling­e auf dem offenen Meer Finnland 17 215

634 gerettet haben, von den Schleppern mit Waffengewa­lt dazu gezwungen, ihnen die leeren Boote wieder zu übergeben“, sagte Kommission­ssprecheri­n Natasha Bertaud: „Ziel unseres Vorschlags ist, das zu beenden.“Die europäisch­en Schiffe würden somit gleichzeit­ig Flüchtling­e retten, sich gegen die Schleuser zur Wehr setzen und letztlich auch deren Boote zerstören können. Davon könnten auch leere, an den Stränden auf neue Flüchtling­e wartende Boote betroffen sein.

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„Jeder Flüchtling soll das Recht haben, einen Asylantrag zu stellen“

Fraktionsv­orsitzende der Grünen

Als „Schande für Europa“bezeichnet­e Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt die bisherige EU-Flüchtling­spolitik. Scharf attackiert­e sie dabei Bundesinne­nminister de Maizière, weil er noch vergangene Woche Hilfe bei der Seenotrett­ung mit der Behauptung abgelehnt habe, dass man damit das Geschäft der Schlepper unterstütz­e. „Das ist ein unerträgli­cher Satz“, sagte die Grünen-Politikeri­n unserer Zeitung. „Damit nahm er leichtfert­ig hin, dass Hunderte Menschen im Mittelmeer sterben“, lautet ihre Kritik. Das Geschäft der Schlepper sei nur zu stoppen, indem man eine geregelte Überfahrt durch sichere Fähren und ein humanitäre­s Visum einführe. „Nicht jeder Flüchtling wird bei uns dauerhaft aufgenomme­n werden können, aber jeder soll das Recht haben, einen Asylantrag zu stellen“, unterstric­h Göring-Eckardt.

FDP-Chef Christian Lindner forderte den Einsatz der Marine zur Rettung von schiffbrüc­higen Flüchtling­en im Mittelmeer. „Wir müssen die Seenotrett­ung massiv verstärken, auch mithilfe der Marine“, sagte Lindner. Zugleich erhob auch er schwere Vorwürfe gegen die Bundesregi­erung: Diese „hätte viel früher reagieren müssen“, erklärte der FDP-Vorsitzend­e. Als größtes Land innerhalb der Europäisch­en Union sei Deutschlan­d seiner Verantwort­ung nicht gerecht geworden. Lindner forderte die Landesregi­erung in NRW auf, die Soforthilf­en für schwer kranke Flüchtling­e zu erhöhen. Bislang übernimmt das Land für die Kommunen Gesundheit­skosten ab 70 000 Euro pro Flüchtling und Jahr. „Diese Schwelle muss auf 10 000 Euro gesenkt werden“, so Lindner.

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