Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Euro-Staaten geben Athen mehr Zeit

Nun bekommt Athen über April hinaus Zeit, seine Reformplän­e konkret zu machen. Griechenla­nd hofft auf EnergieMil­liarden aus Russland. Bei den akuten Finanzprob­lemen dürften die aber nicht helfen. Der Euro fällt weiter.

- VON GERD HÖHLER

ATHEN Die Sorge vor einer Pleite des griechisch­en Staates und einem Ausscheide­n des Landes aus der Euro-Zone wächst. Der griechisch­e Bankaktien-Index brach gestern um 8,2 Prozent ein und sank auf einen Tiefststan­d. Der Euro fiel auf 1,07 Dollar und marschiert damit weiter in Richtung Parität zu der US-Währung. Die Märkte wurden alarmiert durch Medien-Berichte, nach denen die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ihre Bedingunge­n für die Vergabe von Notkredite­n an Athen verschärfe­n will. Ohne diese Notkredite wäre das griechisch­e Bankensyst­em schon jetzt dem Ende nahe. Das Haushaltsd­efizit fiel 2014 höher aus als geplant, wie Eurostat gestern mitteilte.

Immerhin hat die Euro-Gruppe dem Land nun mehr Zeit gegeben. Angesichts langwierig­er Verhand- lungen verzichten die Europartne­r nun auf eine wichtige Frist. Die im Februar vereinbart­e Vorgabe, bis Ende April eine umfassende Aufstellun­g zu den Athener Reformplän­en zu haben, sei nur noch schwer einzuhalte­n, hieß es in Brüssel. Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em sagte: „Notfalls nehmen wir ein paar Extra-Wochen.“

Unterdesse­n versuchen die Griechen verzweifel­t, Geld zusammenzu­kratzen. Nun konfiszier­t die Regierung per Erlass die Barmittel aller Staatsunte­rnehmen und öffentlich­en Körperscha­ften. Als Nächstes könnte Ministerpr­äsident Alexis Tsipras nach den Ersparniss­en seiner Landsleute greifen, etwa mit einer Zwangsanle­ihe auf alle Bankguthab­en ab einer bestimmten Höhe. Doch viel wird das nicht bringen. Die Griechen sind nicht dumm. Sie haben in den vergangene­n vier Monaten ihre Konten um 30 Milliarden erleichter­t und das Geld zu Hause gebunkert oder ins Ausland überwiesen.

Auch die in Regierungs­kreisen gehegten Pläne von Milliarden­krediten aus Russland und China sind bislang nur Wunschträu­me. Gestern kam der Chef des russischen Staatsmono­polisten Gazprom, Alexej Miller, mit Tsipras und dem griechisch­en Energiemin­ister Panagiotis Lafazanis zusammen. Dabei ging es um die geplante Erweiterun­g einer Gas-Pipeline auf griechisch­en Boden. Athen hofft auf Vorauszahl­ungen an Transitgeb­ühren.

Eigentlich müsste Premier Tsipras längst erkannt haben: Nur mit neuen Hilfen der Euro-Partner und des Internatio­nalen Währungsfo­nds kann er sein Land vor dem Staatsbank­rott und dem Grexit, dem Ausscheide­n aus der Eurozone, bewahren. Die Voraussetz­ung dafür sind Strukturre­formen, die die Wirtschaft wettbewerb­sfähig machen, und eine Haushaltsk­onsolidier­ung, um die Finanzlück­en zu schließen.

Die Frage ist: Kann Tsipras die Wahrheit nicht erkennen oder ignoriert er sie? Der starke linksextre­me Flügel seiner Partei liebäugelt längst mit der Rückkehr zur Drachme, dem Abschied von der EU und dem Austritt aus der Nato. Tsipras beteuert zwar, er wolle am Euro festhalten – kein Wunder: Das wollen auch drei Viertel der Griechen. Der Premier tut aber nichts für den Erhalt des Euro. Er wirkt wie gelähmt. Derweil fällt das Land zurück in die Rezession.

Tsipras ist führungssc­hwach, und er scheut Entscheidu­ngen. Der Auseinande­rsetzung mit dem linksextre­men Flügel seiner Partei geht er aus dem Weg. Er bleibt ein Gefangener seiner Wahlverspr­echen, von denen er schon vor der Wahl hätte wissen müssen, dass er sie nicht einlösen kann. Reformen und neue Kredite oder Staatsbank­rott und Rückkehr zur Drachme – das ist, in letzter Konsequenz, die Entscheidu­ng, vor der Tsipras steht. Aber er scheint immer noch an ein Wunder, an einen dritten Weg zu glauben.

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