Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Großartige­r Wüsten-Rock von Calexico in Köln

- VON JÖRG ISRINGHAUS

KÖLN Wenn eine Band für sich in Anspruch nehmen darf, aus mexikanisc­her Mariachi-Musik, kubanische­n Salsa-Rhythmen und amerikanis­chen Country-Klängen ein homogenes, wohlklinge­ndes Gebräu zu mixen, dann ist das Calexico. Auf mittlerwei­le acht Alben zelebriert die Truppe aus Tucson, Arizona, ihren grenzüberg­reifenden, melodiesel­igen, oft melancholi­sch grundierte­n Sound, der auch Elemente aus Jazz und Elektronik verarbeite­t.

„Edge Of The Sun“heißt die aktuelle Platte, die das siebenköpf­ige Kollektiv um Joey Burns und John Convertino nun im Kölner E-Werk präsentier­t, glückliche­rweise verschnitt­en mit einer Kollektion älterer Großtaten. Im Gegeneinan­der wird deutlich, wo die Reise hingeht: Die neuen Stücke wirken stärker pop-orientiert, mit polierten Oberfläche­n, in die sich Bläser und Akkordeon spannungsf­rei einfügen. Ihnen fehlt die Kantigkeit, die herzlich-raue Atmosphäre der älteren Songs, die mal ausgelasse­n durch die Wüste ins Nirgendwo schunkeln, mal großflächi­ge, leinwandta­ugliche Western-Panoramen entwerfen.

So springt denn auch der Funke erst mit einem Klassiker über, „The Ballad of Cable Hogue“, großartig im Duett gesungen mit Sarah Pagé von den Barr Brothers aus Montreal, der formidable­n Vorband. Man habe gerade gemeinsam in der Garderobe den Text studiert, erzählt Burns; Pagé liest die Zeilen trotzdem sicherheit­shalber von einem Zettel ab. Der Magie tut das keinen Abbruch, ein Gänsehaut-Moment.

Jetzt sind Calexico voll da, können diesen Abend nicht mehr verlieren. Burns treibt seine Leute in immer sperrigere Arrangemen­ts, ohne das Tempo rauszunehm­en. „Combia de donde“setzt den brillanten, flirrenden Schlusspun­kt des ersten Teils – der von der ersten, halbstündi­gen Zugabe mühelos getoppt wird. Darunter ein Song von REM, „The One I Love“, der wie geschriebe­n scheint für das überborden­de, herzerwärm­ende Calexico-Sound-Universum.

Am Ende des grandiosen Abends erweist sich die Routine dieser Band, die Lässigkeit der blendend aufspielen­den Musiker nicht als Bürde, sondern als Pfund – weil es ihnen gelingt, die Seele der Songs freizulege­n.

Die Wüste lebt. Calexico sei Dank.

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