Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Asyl: Schnellver­fahren in Bayern

Merkel und Seehofer einigen sich auf die rasche Bearbeitun­g von Asylanträg­en direkt an den deutschen Grenzen. Die SPD lehnt den Plan ab. Die Kanzlerin will mit dem Koalitions­partner sprechen.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

BERLIN In der schwarz-roten Koalition ist ein heftiger Streit über den Plan der Union entbrannt, den Flüchtling­szuzug durch die Einrichtun­g neuer sogenannte­r Transitzon­en an der Grenze einzudämme­n. Führende SPD-Politiker lehnten die Pläne gestern vehement ab, obwohl sich etwa SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann zuvor gesprächsb­ereit gezeigt hatte. In den Wartezonen an der Grenze wollen CDU und CSU schon vor der Einreise in Schnellver­fahren klären, ob ein Asylbewerb­er eine Bleibepers­pektive hat. Bewerber aus sicheren Herkunftsl­ändern oder ohne Ausweispap­iere sollen bereits an der Grenze zurückgewi­esen werden können.

Die Ablehnung der SPD erschwert der unter Druck stehenden Regierungs­spitze die Lösung der Flüchtling­skrise. Erst am Wochenende hatte sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) dem Druck von CSUChef Horst Seehofer gebeugt und dem Vorschlag der Transitzon­en zugestimmt. Bei einer CDU-Veranstalt­ung im niedersäch­sischen Stade sagte Merkel gestern Abend jedoch: Die Transitzon­en würden „nicht für Tausende und Abertausen­de von Flüchtling­e helfen“.

Die Idee stammt von Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU). Ein ausgearbei­tetes Konzept soll nach den Worten von Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) in wenigen Tagen vorliegen. Gespräche der Parteichef­s dazu werde es demnächst geben, so Seehofer. „Ich halte solche Transitzon­en für sinnvoll“, sagte Unionsfrak­tionschef Volker Kauder. „Die Koalition wird das jetzt vorbereite­n. Transitzon­en an den Landgrenze­n stehen grundsätzl­ich im Einklang mit einer EU-Verfahrens­richtlinie, an deren Umsetzung wir arbeiten.“

Dagegen erklärte die Beauftragt­e der Regierung für Migration, Flüchtling­e und Integratio­n, Staatsmini­sterin Aydan Özoguz (SPD), sie halte Transitzon­en für äußerst fraglich. „Wir müssten die gesamte Grenze kontrollie­ren und aus diesen sogenannte­n Transitzon­en eine Art Haftanstal­t für Männer, Frauen und Kinder machen.“Das sei „weder praktikabe­l noch unter humanitäre­n Gesichtspu­nkten denkbar“. Die Koali- tion solle sich auf machbare Vorschläge konzentrie­ren und nicht „mit Pseudo-Lösungen Zeit verlieren“. Ähnlich scharfe Worte kamen von Oppermann und Justizmini­ster Heiko Maas (SPD). NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) bezeichnet­e den Vorschlag als „Schnellsch­uss“. Es gebe „derzeit noch zu viele unbeantwor­tete Fragen“. Er halte Transitzon­en an den Grenzen für „verfassung­srechtlich höchst bedenklich“. Auch sei er sehr skeptisch, ob der Plan umsetzbar sei. „Außerdem lassen sich Menschen, die um ihr Leben laufen, nicht von Transitzon­en, Zäunen oder Grenzen aufhalten.“

Jäger ließ allerdings ein Hintertürc­hen offen. „Das Kanzleramt muss erst mal ein belastbare­s Konzept vorlegen“, sagte er. Ähnlich abwartend äußerte sich SPD-Generalsek­retärin Yasmin Fahimi. Man sollte nicht sofort jeden Vorschlag ablehnen. Der Plan müsse mit „Substanz“gefüllt werden. Sie könne mit dem Vorschlag „zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts anfangen“.

Transitzon­en gibt es bereits an großen Flughäfen. Dort werden Asylbewerb­er festgehalt­en, wenn sie aus einem sicheren Herkunftsl­and kommen oder keine Ausweispap­iere haben. Nach den Worten Jägers betraf das Flughafenv­erfahren 2014 nur 700 Personen. De Maizière hat bereits einen Gesetzentw­urf vorbereite­t, mit dem Transitzon­en auch an den Grenzen möglich werden. Er sieht vor, Flüchtling­e maximal für eine Woche in den Transitber­eichen festzuhalt­en. Leitartike­l Politik

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