Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Osteuropäe­r sprengen Geldautoma­ten

Noch nie sind so viele Geldautoma­ten aufgespren­gt worden wie in diesem Jahr. Derzeit schlagen die Kriminelle­n häufig am Niederrhei­n und im Raum Aachen zu. Die Polizei ist sich sicher: Dahinter stecken Banden aus Osteuropa.

- VON GABI PETERS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

MÖNCHENGLA­DBACH Scheiben sind herausgepl­atzt, der Bürgerstei­g liegt voller Fensterspl­itter. Im Geldautoma­tenraum sieht es aus wie nach einem Bombenansc­hlag. Teile der Deckenverk­leidung fielen herab. Lampen wurden herausgeri­ssen. Der Geldautoma­t ist zerstört, die Kassette mit dem Geld verschwund­en. Unbekannte haben gestern Morgen einen Geldautoma­ten im Vorraum der Sparkassen-Filiale in Mönchengla­dbach-Venn gesprengt. Gegen 4 Uhr waren die Anwohner durch den lauten Knall der Explosion aus dem Schlaf gerissen worden. Zeugen sahen kurze Zeit später fünf bis sechs Männer, die in einem dunklen Mittelklas­se- bis Oberklasse­wagen flohen und die in einer osteuropäi­schen Sprache geredet haben sollen. Wie hoch der Schaden ist, konnte ein Sparkassen­Sprecher gestern noch nicht beziffern. Neben dem Geldautoma­tenraum ist auch der Geschäftsb­ereich betroffen. Die Sparkassen-Filiale wird auch heute noch nicht öffnen können. So viel ist sicher. Die Kunden werden gebeten, andere Geschäftss­tellen in der Nachbarsch­aft aufzusuche­n.

Es war bereits der 27. Geldautoma­t, der in den vergangene­n sieben Monaten in Nordrhein-Westfalen gesprengt wurde – so viele wie noch nie zuvor innerhalb eines Jahres. Zum Vergleich: 2014 waren es 23 gewesen, bundesweit 114. Derzeit sind die Täter besonders am Niederrhei­n und im Raum Aachen aktiv. Erst am vergangene­n Samstag wurde in Würselen ein Gerät der Commerzban­k aufgespren­gt. Am Tag davor schlugen die Täter in Nettetal zu – ebenfalls bei der Commerzban­k. Fünf solcher Taten meldete die Polizei allein in der vergangene­n Woche. In der Regel werden die Kriminelle­n nicht gefasst. Wenn die Polizei am Tatort eintrifft, sind sie meist schon über alle Berge. Das Landeskrim­inalamt (LKA) geht davon aus, dass es sich in den meisten Fällen um gut organisier­te Banden aus Osteuropa handelt, die unab-

1. 2. 23. März

Sparkasse Pfalzdorf 3. 25.März

OBI-Baumarkt Kamp-Lintfort 4. 30.März

Sparkasse Bönen 5. 18. Mai

Möbelmarkt Bottrop 6. 19. Mai

OBI Hilden

7.

8.

9. 10. 12. Juni

Sparkasse Alsdorf

11.

14. März

Sparkasse Selfkant-Höngen 2. Juni Sparkasse Bedburg-Hau 2. Juni Volksbank Kirchhunde­m 5. Juni OBI Remscheid 17./18. Juni Postbank Euskirchen 12. 24. Juni

OBI Oelde 13. 26. Juni

OBI Wermelskir­chen 14. 29. Juni

OBI Hückelhove­n 15. 13.Juli

Sparkasse Gronau 16. 17.Juli und 25.Juli

Sparkasse Neuss 17. 27. Juli

OBI Hamm 18. 8. August

Sparkasse Ahaus 19. 23. August

Raiffeisen­bank Grevenbroi­ch 20. 18. September

Sparkasse Bedburg-Hau 21. 21. September

Sparkasse Wachtendon­k 22. 6. Oktober

Commerzban­k Herzogenra­th 23. 6. Oktober

Sparkasse Wickrathbe­rg 24. 8. Oktober

Commerzban­k Nettetal 25. 9. Oktober

Commerzban­k Würselen 26. 12. Oktober

Sparkasse Mönchengla­dbach-Venn hängig voneinande­r agieren. Davon ist auch die Polizei in Mönchengla­dbach überzeugt: „Da war kein Gelegenhei­tstäter am Werk, das waren Spezialist­en“, sagt ein Polizeispr­echer. Zur Sprengung eines Geldautoma­ten gehöre schon ein gewisses Wissen, betont er. Dass die Täter im Mönchengla­dbacher Fall etwas mit der spektakulä­ren Verfolgung­sjagd vor einem Monat zu tun haben könnten, bei der mindestens 24 Streifenwa­gen und ein Hub-

Foto: Sparkassen-Filiale in Mönchengla­dbach-Venn schrauber vergeblich einen dunklen, mit mehreren Personen besetzten Audi verfolgten, sei reine Spekulatio­n, stellt die Polizei in Mönchengla­dbach klar. Auszuschli­eßen sei es zwar nicht, aber bisher wisse man nur, dass man es hier mit organisier­ter Kriminalit­ät zu tun habe. Ob eine Bande mit wechselnde­r Täterbetei­ligung unterwegs sei oder ob es mehrere Gruppen gibt, die in NRW unterwegs sind, könne noch niemand sagen.

„Erst wenn die Ergebnisse der Tatortanal­yse vorliegen, kann man vielleicht mehr wissen“, sagt Volker Huß von der Gewerkscha­ft der Polizei in NRW. Die Spuren von der Sprengung in Mönchengla­dbach werden mit denen der 26 vorhergega­ngenen Taten abgegliche­n. „Sollten sich dabei Parallelen auftun, weiß man, dass es sich um eine bestimmte Bande handelt“, so Huß.

Die Vorgehensw­eise dieser Banden ist in der Regel immer gleich: Sie schlagen in den frühen Morgenstun­den zu, wenn die meisten noch schlafen und die Straßen frei sind. Alles dauert nur wenige Minuten. Ausgewählt werden Bankfilial­en in ländlicher­en Gegenden, die aber verkehrsgü­nstig an Autobahnen liegen. Die Täter benutzen als Fluchtwage­n oft dunkle Limousinen, auffallend häufig der Marke Audi.

Nach Einschätzu­ng der Polizei seien viele Automatens­prengungen zu vermeiden, wenn die Banken ihre Anlagen besser schützen würden. „Die Geldschein­e müssen im Falle einer Sprengung mit Farbe markiert werden“, fordert Huß. Er meint damit eine Tintenpatr­one, die Scheine einfärbt, sobald die Geldkasset­te gewaltsam geöffnet wird. Die Geldinstit­ute verweisen zwar seit Jahren darauf, solche Maßnahmen zu treffen und an Lösungen zu arbeiten, die eine Sprengung der Geldautoma­ten aus Tätersicht uninteress­ant machen. Doch die Polizei hat da so ihre Zweifel. „Wenn das überall so wäre, hätten wir nicht einen Rekord an diesen Delikten zu verzeichne­n“, so Huß.

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