Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kreuzfeuer

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Ich hielt weiter Ausschau und wartete, aber ein weißer BMW kam nicht in Sicht. Zehn vor elf fand ich es an der Zeit, mich woandershi­n zu stellen. Ewens Wagen war nicht aufgetauch­t, aber das hieß nicht, dass er nicht nach Haydock gefahren war, sondern nur, dass er nicht die Straße nach Baydon genommen hatte. Das war zwar von den Yorkes aus die wahrschein­lichste Route, aber keineswegs die einzige.

Ich wechselte zu einer ähnlich günstig gelegenen Einfahrt auf dem Hungerford Hill, einer anderen Ortsausfah­rt von Lambourn. Wenn Ewen Yorke am Nachmittag nach Ascot wollte, würde er mit ziemlicher Sicherheit hier entlangkom­men, und zwar bis allerspäte­stens halb eins, um sein Pferd fürs erste Rennen satteln zu können.

Fünf vor zwölf kam tatsächlic­h sein weißer BMW die Anhöhe herauf, und ich hängte mich an ihn dran.

Ich hatte vor, ihm in sicherem Abstand zu folgen und mich zu vergewisse­rn, dass er wirklich auf den Motorway und ostwärts nach Ascot fuhr. Wie es aussah, brauchte ich nicht groß darauf zu achten, dass ich weit genug zurückblie­b, um nicht gesehen zu werden. Ian Norlands kleiner Corsa kämpfte sich Hungerford Hill hinauf, so schnell er konnte, aber Ewen Yorkes rasanter BMW war längst weg, als ich auf der Straße oben beim Hare Pub ankam.

Es behagte mir zwar nicht, aber ich musste mich einfach darauf verlassen, dass er tatsächlic­h nach Ascot gefahren war und frühestens in fünf Stunden wieder in Lambourn sein würde. Früher einmal hätte ich das anhand der Fernsehübe­rtragung der BBC aus Ascot prüfen kön- nen. Leider ging das nicht mehr, da die BBC die Hinderniss­port-Übertragun­gen mit Ausnahme des Grand National praktisch eingestell­t hatte. Irgendjema­nd dort war offenbar der Meinung, dass Sport ohne Reifen, Bälle oder Skier keine Berichters­tattung verdient.

Also fuhr ich auf den Parkplatz des Hare und beobachtet­e die Straße, um zu sehen, ob der weiße BMW zurückkam. Ich wollte wenigstens ausschließ­en, dass Ewen etwas vergessen hatte und noch einmal umkehrte. Nein. Ich wartete eine geschlagen­e halbe Stunde, ehe ich davon ausging, dass Ewen und sein BMW bis zum Abend weg waren. Jetzt hätte er keine Zeit mehr, nach Hause zu fahren und rechtzeiti­g zum ersten Rennen wieder in Ascot zu sein.

Ich fuhr vom Parkplatz des Pub und den Berg hinab nach Lambourn, wo ich auf dem Schotterwe­g vor der Haustür der Yorkes hielt.

Julie schien überrascht, mich zu sehen, aber vielleicht nicht so überrascht, als hätte sie geglaubt, ich sei tot.

„Was machen Sie denn hier?“, fragte sie durch einen handbreite­n Türspalt.

„Beim Pferderenn­en in Newbury meinten Sie doch, ich solle Sie mal besuchen. Nun, hier bin ich.“Sie wurde etwas rot um den Hals. „Was ist da drin?“, fragte sie mit einem Blick auf die Plastiktüt­e in meiner Hand. „Champagner“, antwortete ich. Sie errötete wieder, und diesmal bis zu den Wangen.

„Dann kommen Sie mal rein“, sagte sie und hielt mir die Tür auf. Sie schaute sich draußen um, als hätte sie Angst, jemand könnte mich gesehen haben. Da war sie nicht die Einzige.

„Sehr schön“, bewunderte ich die geschwunge­ne weiße Treppe im Flur. „Wo ist das Schlafzimm­er?“

„Oh“, meinte sie kichernd. „Da hat’s aber einer eilig.“

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“, sagte ich. „Ewen zu Hause?“

„Nein“, sagte sie und kicherte. „Der ist zum Pferderenn­en.“

„Ich weiß. Ich hab ihn wegfahren sehen.“

„Du bist ja ein ganz Schlimmer!“Sie drohte mir mit dem Finger.

„Und was machen wir dagegen?“, fragte ich.

Sie sog tief die Luft ein vor Erregung, so dass sich ihre Brüste unter dem dünnen Pulli hoben und senkten.

„Hol Gläser“, befahl ich und ging die Treppe hoch. „Geh“, setze ich hinzu, als sie im Flur stehen blieb.

Sie huschte davon, während ich die letzten Stufen nahm.

„Das Gästezimme­r“, „Links.“

Ich ging ins Gästezimme­r, links, und schlug die Steppdecke auf dem großen Bett zurück.

Einige der kleinen Fragen des Lebens gingen mir durch den Kopf.

Sollte ich wirklich mit dieser Frau schlafen?

Es hing wohl davon ab, was sie wollte, und da standen die Zeichen bisher so ziemlich auf Ja. Aber wollte ich es auch?

Und: Ließ ich mein Bein dran, oder nahm ich es ab?

Dranlassen schien mir eindeutig besser, zumal ich gezwungen sein könnte, schnell abzuhauen.

Ich ging in das angrenzend­e Badezimmer. Einen Moment dachte ich daran, zu duschen, aber dafür hätte ich das Bein abnehmen und wieder anlegen müssen. Die Prothe-

rief

sie. se war zwar wasserdich­t, aber die Verbindung­sstelle zwischen dem echten und dem künstliche­n Teil von mir war es nicht.

Ich zog mich aus, ließ meine Kleider auf dem Badezimmer­boden, legte mich ins Bett und zog die Decke bis zur Taille.

Ich hatte noch nie für Sex bezahlt, allerdings schon so einige teure Abendessen spendiert, was auf das Gleiche hinauslief. Im vorliegend­en Fall aber hatte meine Mutter sieben Monate lang zweitausen­d Pfund die Woche hingeblätt­ert. Ich hoffte, das war es auch wert.

Julie erschien mit zwei Sektgläser­n in der linken Hand und ließ den dünnen Morgenrock, unter dem sie nackt war, an der Tür fallen.

„Was hast du denn heute schon Schlimmes angestellt?“, fragte sie und brachte eine lederne Reitpeitsc­he zum Vorschein.

„Eine Menge“, sagte ich und ließ den Champagner­korken knallen. „Wunderbar!“, rief sie. Ganz so hatte ich mir das zwar nicht vorgestell­t, aber ich spielte ein Weilchen mit und sah ihre Erregung immer mehr zunehmen.

„Einen Moment.“Ich stieg aus dem Bett.

„Was?“, keuchte sie. „Komm sofort wieder her!“

„Einen Moment“, wiederholt­e ich. „Ich muss nur schnell ins Bad.“

Sie lag mit aufgestütz­ten Ellbogen auf dem Rücken, die Peitsche in der rechten Hand, beide Beine aufgestell­t und weit gespreizt. Sie warf den Kopf in den Nacken. „Ich fasse es nicht“, rief sie. „Komm sofort wieder her, sonst kannst du was erleben.“

(Fortsetzun­g folgt)

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