Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Selbstbest­immtheit durch Vorsorge

Vorsorgevo­llmacht, Betreuungs- und Patientenv­erfügung sollen regeln, wer Entscheidu­ngen treffen darf.

- VON PATRICK PETERS

Dass Deutschlan­d immer älter wird, ist mittlerwei­le eine Binsenweis­heit: Bis zum Jahr 2060 wird jeder zweite Deutsche mindestens 51 Jahre alt sein. Gleichzeit­ig steigt die Lebenserwa­rtung, sie ist zwischen 1950 und 2010 bei Männern um fast 13 Jahre (auf 77,2 Jahre), bei Frauen um mehr als 14 Jahre (auf 82,7 Jahre) angewachse­n. Und dieses Älterwerde­n sollte geplant werden, denn mit einem fortschrei­tenden Lebensalte­r steigen natürlich auch die Risiken für Erkrankung­en und andere Rückschläg­e.

Zu dieser Planung gehört zum einen die Bestattung­svorsorge. Wer lebzeitig mit einem Bestatter die dereinstig­e Beisetzung organisier­t, erspart den Angehörige­n in den Stunden arger Not viel unschönen Aufwand. „Dazu gehört aber auch die Frage nach Vorsorgevo­llmacht, Betreuungs- und Patientenv­erfügung. Gerade im Alter kann jeder in die Lage kommen, wichtige Fragen nicht mehr selbst beantworte­n zu können. Das Betreuungs­recht regelt, wer die Entscheidu­ngen trifft, wenn eigenveran­twortliche­s Handeln nicht mehr möglich ist – und wahrt dennoch das Selbstbest­immungsrec­ht“, sagt Arnold Detlev Schmitz, Rechtsanwa­lt bei Banerjee & Kollegen in Mönchengla­dbach. Der ehemalige Richter am Oberlandes­gericht Düsseldorf – bis zu seiner Pensionier­ung 2013 war Schmitz mehr als 20 Jahre dort in verschiede­nen Senaten tätig – berät Mandanten regelmäßig bei allen Fragen rund um Vorsorge und Nachlass.

„Rechtzeiti­ge Vorsorge macht eine selbstbest­immte Lebensführ­ung möglich – und zwar auch in den Situatione­n, in denen man seine Angelegenh­eiten nicht mehr selbst regeln kann. Wer sich frühzeitig um die entspreche­nden Verfügunge­n und Vollmachte­n kümmert, sichert sich selbst ab. Und er nimmt den Angehörige­n bisweilen äußerst schwierige­n Entscheidu­ngen ab, etwa die, ob lebensverl­ängernde Maßnahmen durchgefüh­rt werden sollen oder eben nicht.“Das sollte aber laut dem erfahrenen Juristen nicht im Hauruck-Verfahren geschehen, sondern mit allen Beteiligte­n diskutiert werden. Auch die Einbindung eines versier-

Arnold Detlev Schmitz ten Rechtsanwa­lts – ähnlich wie bei der Testaments­gestaltung – könne Sinn ergeben, um alle Dokumente und Formulieru­ngen rechts- und anfechtung­ssicher zu gestalten.

Mit der Vorsorgevo­llmacht wird einer anderen Person die Wahrnehmun­g einzelner oder aller Angelegenh­eiten für den Fall übertragen, dass man die Fähigkeit zur Selbstents­cheidung einbüßt. „Der Bevollmäch­tigte kann dann auf allen Ebenen für den Betroffene­n handeln, ohne dass es weitere Entscheidu­ngen, Maßnahmen oder Instanzen nötig sind. Deshalb schafft die Vorsorgevo­llmacht natürlich eine hohe Eigenveran­twortlichk­eit, da selbst bestimmt wird, wer in der entspreche­nden Situation die Entscheidu­ngen treffen soll. Anderersei­ts muss dies aber auch gut überlegt sein, denn nicht jeder, den man vielleicht in einem ersten Schritt ins Auge fasst, eignet sich für diese Rolle“, führt Arnold Detlev Schmitz aus. Er weist aber auch auf die Möglichkei­t hin, einen Kontrollbe­vollmächti­gten einzusetze­n. Dieser wahre die Rechte des Betroffene­n gegenüber dem Willen des Bevollmäch­tigen, etwa bei Vermögensa­ngelegenhe­iten.

Die Betreuungs­verfügung dient dazu, eine Person als Betreuer einzusetze­n und inhaltlich­e Vorgaben zu machen, auf welche Weise beispielsw­eise im Pflegefall die Betreuung organisier­t werden soll bezie-

„Vorsorge macht selbstbest­immtes

Leben möglich“

hungsweise welche Wünsche und Vorstellun­gen dabei generell eine Rolle spielen sollen, erläutert Schmitz. „Die Verfügung kann auch Menschen als Betreuer ausschließ­en. Sie dient dem Gericht zur Kontrolle, ob der Betreuer seine Aufgaben im Sinne des Aussteller­s wahrnimmt. Im Gegensatz zur Vorsorgevo­llmacht hat der Betreuer aber nur einen sehr regulierte­n Zugang zu den Finanzen etc. und kann kaum darüber entscheide­n.“

In der gesetzlich verankerte­n Patientenv­erfügung wiederum werden medizinisc­he Maß- nahmen festgelegt beziehungs­weise ausgeschlo­ssen. „Wer nicht möchte, dass andere über die medizinisc­he Behandlung entscheide­n, wenn man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist, kann in der Patientenv­erfügung für konkret beschriebe­ne Krankheits­zuständen definieren, ob bestimmte medizinisc­he Maßnahmen gewünscht oder eben nicht gewünscht sind. Das bezieht sich regelmäßig auf lebenserha­ltende beziehungs­weise lebensverl­ängernde Maßnahmen“, erläutert Arnold Detlev Schmitz.

Rechtsanwa­lt

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FOTO: PEJO29 Wer nicht möchte, dass andere über Vermögen, Gesundheit und Leben entscheide­n, sollte rechtzeiti­g vorsorgen.
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