Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Polizei: Geheimtran­sporte für Flüchtling­e

Nach den Vorfällen in Clausnitz will der Landrat den bisherigen Chef des Flüchtling­sheims ablösen. Die Polizeigew­erkschaft spricht sich für mehr Geheimhalt­ung aus, um Asylbewerb­er zu schützen.

- VON JAN DREBES

CLAUSNITZ/BERLIN Die Bundesregi­erung hat sich bestürzt über die fremdenfei­ndlichen Vorfälle in Sachsen gezeigt. „Was da in Clausnitz geschehen ist, ist zutiefst beschämend“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. „Wie kaltherzig, wie feige muss man sein, um sich vor einem Bus mit Flüchtling­en aufzubauen und zu pöbeln und zu grölen, um den darin sitzenden Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, Angst zu machen.“Nicht minder schlimm seien die Szenen in Bautzen gewesen, wo ein Haus unter dem Applaus von Schaulusti­gen abbrannte, das bald als Asylheim genutzt werden sollte.

Dagegen lobte das islam- und fremdenfei­ndliche Pegida-Bündnis hat die Anfeindung­en ausdrückli­ch. Pegida-Wortführer­in Tatjana Festerling bezeichnet­e bei einer Kundgebung gestrn Abend in Dresden das Auftreten des Mobs in dem Dorf als „Mut der Bürger“. Von den Anhängern wurde dies mit „Clausnitz“-Rufen und Beifall quittiert. Festerling bezeichnet­e Flüchtling­e als „skrupellos­e Invasoren“und warf ihnen vor, Kinderträn­en zu instrument­alisieren.

Sachsens Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich sagte, was in Bautzen passiert sei, lasse sich kaum noch in Worte fassen. Die Jubelszene­n vor dem brennenden Gebäude seien organisier­t gewesen. Es handele sich um Brandstift­ung. „Da kann man nur sagen: Pfui Teufel“, erklärte der CDUPolitik­er im Sender N24.

Zugleich zogen Verantwort­liche erste Konsequenz­en aus den Pöbeleien und der Blockade eines Flüchtling­sbusses. Der für Clausnitz zuständige Landrat, Matthias Damm (CDU), kündigte an, das Flüchtling­sheim werde einen neuen Leiter erhalten. Der bisherige Chef war in die Kritik geraten, weil er offenbar mit der rechtspopu­listischen AfD sympathisi­ert. AfD-Chefin Frauke Petry gab den Flüchtling­en eine Mitschuld: „Es gab wohl auch sehr unschöne Äußerungen der ankommende­n Flüchtling­e, Stinkefing­er und diverse Anschuldig­ungen“. Zugleich distanzier­te sie sich von den Demonstran­ten.

Am vergangene­n Donnerstag­abend hatte ein Mob von rund 100 Personen einen Bus mit 20 Flüchtling­en an der Weiterfahr­t im Dorf Clausnitz gehindert. Sie skandierte­n „Wir sind das Volk“und hinderten die Flüchtling­e am Aussteigen. Die Polizei schritt ein und brachte die Flüchtling­e teils unter Anwendung von Zwang in das Gebäude.

Um Flüchtling­e bei ihrer Ankunft in den Kommunen besser zu schützen, fordert die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) nun eine Strategieä­nderung hin zu mehr Geheimhalt­ung. „Es ist nicht nur angesichts der Vorfälle in Clausnitz unnötig, die breite Öffent- lichkeit in Kommunen über den konkreten Ankunftste­rmin von Flüchtling­en zu informiere­n“, sagte Oliver Malchow, der Bundesvors­itzende der GdP.

Malchow räumte zwar ein, dass die Bevölkerun­g rechtzeiti­g darüber aufgeklärt werden sollte, wo wie viele Flüchtling­e in ihrer Stadt oder Gemeinde untergebra­cht werden sollen. „Aber die Organisati­on eines Buskonvois geht nur die Verwaltung und die Polizei etwas an“, sagte der GdP-Chef. Er sehe zudem die Schwierigk­eit mangelnder Polizeikap­azitäten in Sachsen wegen Sparmaßnah­men in der Vergangenh­eit. „Die dortigen Polizeikrä­fte können in bestimmten Situatione­n mit einem massiven Aufkommen von Störern und Gewalttäte­rn durchaus überforder­t sein“, warnte Malchow.

Die Kommunen wehren sich gegen eine höhere Stufe der Geheimhalt­ung. Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes, sagte unserer Redaktion: „Eine Geheimhalt­ungsstrate­gie ist der falsche Ansatz und behindert die spätere Integratio­n.“Leitartike­l Politik

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