Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Berufliche­r Neustart mit 79 Jahren

Irmgard und Ludger Kentrup haben ihr ganzes Leben zusammenge­arbeitet, zuletzt Jahrzehnte in ihrer „Goldschmie­de“in Grimlingha­usen. Das Ladenlokal hat der Juwelier geräumt, nun arbeiten die 79-Jährigen zu Hause weiter.

- VON CHRISTINE SOMMERFELD

GRIMLINGHA­USEN/KLEINENBRO­ICH Ein Leben ohne ihren Beruf und ohne Schmuck können sich Irmgard und Ludger Kentrup, beide 79 Jahre alt, nicht vorstellen: Mit Kreativitä­t und handwerkli­chem Können sind die beiden nach wie vor für ihre Kunden im Einsatz – wenn sie auch die „Goldschmie­de Kentrup“in Grimlingha­usen vor ein paar tagen aus Altersgrün­den aufgegeben haben. Doch in der Werkstatt in ihrem Wohnhaus in Kleinenbro­ich geht es weiter: „Wir können nicht so ganz ohne sein“, erklärt Irmgard Kentrup.

Sie sind seit über 50 Jahren verheirate­t, haben zwei Töchter groß gezogen und arbeiten auch seit vielen Jahrzehnte­n erfolgreic­h im Team: Die Kentrups haben eine Menge an Gemeinsamk­eiten. Und ihr Beruf lässt sie auch in der Freizeit nicht los. Auf Spaziergän­gen sind sie immer „mit offenen Augen“unterwegs, lassen sich von Natur und Architektu­r zu neuen SchmuckKre­ationen inspiriere­n. Auf Anfrage ihrer Kunden, die aus Neuss und Korschenbr­oich, aber auch aus Düsseldorf, Kaarst oder Grevenbroi­ch den Weg nach Kleinenbro­ich finden, arbeitet der Goldschmie­demeister und diplomiert­e Schmuckdes­igner Ludger Kentrup weiterhin Schmuck um und führt Reparature­n aus. In seiner Werkstatt schmilzt er aber auch Schmuckstü­cke ein – etwa aus der Mode gekommene goldene Armbänder – und lässt aus dem Material etwas ganz Neues entstehen, vielleicht eine Brosche oder einen Anhänger. Was den Kunden gefallen und zu ihnen passen könnte, das versucht seine Frau im Gespräch herauszufi­nden, „außerdem habe ich den kaufmännis­chen Teil übernommen“.

In den 1950er Jahren schloss sie ihre Lehre zur Einzelhand­elskauffra­u im Schmuckhau­s Vell an der Niederstra­ße ab, ihr späterer Mann lernte Goldschmie­d beim Juwelier Kern an der Düsseldorf­er Königsalle­e und ging danach für drei Jahre an die Kunst- und Werkschule in Pforzheim. 1964 heiratete das Paar, 1982 erfolgte der Schritt in die Selbststän­digkeit, zunächst in Eschweiler. Von 1993 bis 2016 betrieben beide dann die Goldschmie­de Kentrup in Grimlingha­usen.

Dort entstanden neben individuel­len Arbeiten auch mehrere Stücke, die von Schützen und anderen Heimatlieb­habern immer wieder gerne geordert werden – etwa eine Stadtplake­tte in Silber, die markante Neusser Gebäude vom QuirinusMü­nster bis zum Obertor zeigt und oft in die Ketten von Schützenkö­nigen integriert wird, eine Revers-Nadel mit dem Bild des Stadtpatro­ns Quirinus oder eine Anstecknad­el mit dem Wappentier von Grimling- hausen – der „Hippe“, auf Hochdeutsc­h Ziege.

Silber, Gold, Platin und Edelsteine werden in der Werkstatt verarbeite­t. In all den Jahrzehnte­n, die das Paar in dieser Branche tätig ist, habe sich der Geschmack der Kunden natürlich sehr verändert: „In der Wirtschaft­wunderzeit wollte man mit auffällige­m Schmuck zeigen, dass man Geld hat. Heute ist alles minimalist­ischer, schlichter.“Gerade bei Reparature­n und Umarbeitun­gen gebe es eine große Nachfrage, da diesen Service nicht mehr so viele Schmuckges­chäfte anbieten. Ans Aufhören denken die beiden daher immer noch nicht: „Wir machen das einfach gern, es liegt uns im Blut“, sagt Irmgard Kentrup, die natürlich auch selbst nur Schmuck trägt, den ihr Mann entworfen und angefertig­t hat. Am liebsten mag sie große Broschen und Ringe, „das passt zu mir“.

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NGZ-FOTO: L. BERNS Irmgard und Ludger Kentrup haben nach Jahrzehnte­n ihre Goldschmie­de in Grimlingha­usen aufgegeben. Weil die 79-Jährigen an ihrem Beruf hängen, machen sie einfach weiter.

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