Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Länderspiele für Sponsoren
Neulich hat Oliver Bierhoff mal wieder über die Zukunft des deutschen Fußballs sinniert. Wenn er über seinen Arbeitgeber spricht, dann redet er gerne von „der Fußball-Familie“. Und er sagt ganz oft das Wort „wir“. Ein typischer Bierhoff-Satz geht so: „Wir haben Großes vor, die ganze Fußball-Familie wird davon profitieren.“Es ist nicht ganz klar, wen er mit „wir“meint. Bierhoff, 47, ist seit 2004 der Manager des deutschen Nationalteams. Der ehemalige Angreifer steht für die Professionalisierung. Er hat aus der Nationalmannschaft „Die Mannschaft“gemacht. Er hat ein Hochglanzprodukt in einer kunterbunten Marketingwelt ohne große Ecken und Kanten erschaffen. Er hat den Fußball nicht unbedingt näher an das Publikum gebracht, dafür dem Verband durch zahlreiche Sponsoringverträge Millionen Euro beschert.
Noch vor einigen Wochen galt Bierhoff für viele als der Retter des deutschen Fußballs. Da war der DFB nach den Mauscheleien rund um die WM 2006 ein Scherbenhaufen und alle riefen nach Professionalisierung. Dabei ist es geblieben, aber es geht um die Art, wie man etwas verkauft. Ein kritischer Austausch, so scheint es, ist bei „Die Mannschaft“nicht erwünscht. Es kann sich nichts entwickeln, alles wirkt wie am Reißbrett entworfen.
Beim Spiel in Berlin gegen England ist die Entfremdung zwischen Team und Publikum besonders deutlich geworden. Ein Event-Publikum hat lustlos ein Spiel ertragen. Mit Fußballkultur hat das nichts mehr zu tun. Es ist ein Spiel mit austauschbaren Protagonisten geworden. In München war das Stadion nicht ausverkauft. In einem unbedeutenden Spiel nicht mit der besten Besetzung anzutreten – dafür sind viele nicht mehr bereit, überteuerte Ticketpreise zu zahlen. Es ist erstaunlich, wie schlecht es um das Image des Weltmeisters bestellt ist.
Das Weichgespülte dominiert – solange man die Leistung bringt. Das hat unlängst Max Kruse feststellen müssen. Er hat sich unprofessionell verhalten, weil er mit 28 Jahren einmal zu viel beim Feiern „erwischt“wurde (darunter sein Geburtstag) und ist dafür vorläufig aus „Die Mannschaft“geflogen. Anderen wurde deutlich mehr verziehen – selbst Straftaten. Gianni Costa