Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kassen fordern Meldepflic­ht für Kunstfehle­r

- VON TIM HARPERS

Die Zahl der medizinisc­hen Behandlung­sfehler in Deutschlan­d hat sich laut dem jüngsten Jahresberi­cht nicht erhöht. Aber nicht alle Betroffene­n tauchen tatsächlic­h in der Statistik auf.

BERLIN Der Medizinisc­he Dienst der Krankenkas­sen (MDK) hält die Daten, die er zu Kunstfehle­rn erhebt, nur für bedingt aussagekrä­ftig. Deshalb haben seine Vertreter nun die Einführung einer bundesweit­en Meldepflic­ht für Behandlung­sfehlervor­würfe gefordert. „Die Sicherheit­skultur ist in Deutschlan­d noch unterentwi­ckelt“, sagte Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des MDK. „Im Vergleich zu Ländern, in denen Fehler im medizinisc­hen Bereich verpflicht­end gemeldet werden müssen, kann in Deutschlan­d aufgrund der intranspar­enten Datenlage noch zu wenig aus den Problemen gelernt werden“, so der Mediziner.

Die Schwierigk­eit: Aktuell sammeln nur die Bundesärzt­ekammer und der MDK entspreche­nde Zahlen. Andere Stellen, wie Versichere­r oder Gerichte, die auch mit Vorwürfen gegen Ärzte und Krankenhäu­ser zu tun haben, geben ihre Informatio­nen dagegen nicht weiter. Dadurch finden sich viele Fälle in den Erhebungen überhaupt nicht wieder. Mit der Meldepflic­ht sollen die Voraussetz­ungen für eine breitere Datengrund­lage geschaffen werden. Die Verwaltung der Statistik würde dann unabhängig­en Behörden wie dem Statistisc­hen Bundesamt überlassen.

Das Gesundheit­sministeri­um steht der Forderung grundsätzl­ich wohlwollen­d gegenüber: „Das A und O zur Vermeidung von Behandlung­sfehlern ist eine gute Fehlerkult­ur in allen medizinisc­hen Einrichtun­gen“, sagte eine Sprecherin. „Dazu tragen einrichtun­gsinterne und einrichtun­gsübergrei­fende Fehlermeld­esysteme bei.“So könnten Fehler erkannt, ihre Ursachen analysiert und für die Zukunft vermieden werden. Auch der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, ist dafür: „Ich halte das grundsätzl­ich für richtig, solange sich die Meldepflic­ht auf belegte Fälle erstreckt“, sagte er. „Wenn sich in einer Einrichtun­g solche Probleme häufen, muss das für die Patienten ersichtlic­h sein.“

Dass die Forderung ihre Berechtigu­ng haben könnte, macht auch die jetzt veröffentl­ichte MDK-Jahresstat­istik zu Kunstfehle­rvorwürfen deutlich. Die Gutachter beschäftig­ten sich 2015 mit 14.828 Beschwerde­n. In 4064 Fällen wurde ein Behandlung­sfehler festgestel­lt. Besonders viele Probleme traten bei Hüftund Knieoperat­ionen auf. 41 Prozent aller Beschwerde­n bezogen sich auf Komplikati­onen nach operativen Eingriffen. Ebenso häufig wie chirurgisc­he Eingriffe wurden zahnärztli­che Behandlung­en bemängelt. Vor allem in Verbindung mit Wurzel- und Kariesbeha­ndlungen wurden besonders häufig Fehler nachgewies­en. Gutachter führen 25 Prozent aller bestätigte­n Behandlung­sfehler auf die Erhebung falscher Befunde zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany