Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der Philosoph in Purpur
MAINZ Der Bischof bleibt: in Mainz und sogar in seinem alten Bischofshaus unweit des Doms. Selbst nach seinem 80. Geburtstag noch am kommenden Pfingstmontag. Das ist – vorsichtig gesprochen – unüblich für katholische Bischöfe im Ruhestand, doch was ist im Leben und Wirken von Karl Kardinal Lehmann schon gewöhnlich? Sogar die Kirchenvolksbewegung von „Wir sind Kirche“hat jüngst Lehmann als Ausnahmetheologen gewürdigt – und das hat bei den Kirchenkritikern Seltenheitswert.
Wie kein anderer hat Lehmann die katholische Kirche in Deutschland spätestens seit den 1980er Jahren geprägt. So etwas sagt man ja oft bei Abschieden, bei Kardinal Lehmann aber lässt sich das vielfach belegen. Dazu gehört vor allem sein langes Wirken als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz – von 1987 bis 2008. Ein unglaubliches und charismatisches Wirken über vier Amtszeiten, das Rom skeptisch werden ließ und zu Sondermaßnahmen ermunterte. Damit dies kein zweites Mal geschehen kann, erlaubt der Vatikan jetzt nur noch die einmalige Wiederwahl. „Lex Lehmann“wird diese Vorschrift inoffiziell genannt; dabei ist sie eher ein „Lex Anti-Lehmann“.
Kardinal Lehmann ist nie ein Freund der Römer gewesen, also der Kurie. Obwohl er die Verhältnisse dort gut kennt. Lehmann hatte dort unter anderem an der Päpstlichen Universität Gregoriana studiert und war in der Ewigen Stadt durch Julius Döpfner auch zum Priester geweiht worden. Doch die
Der Sanierer der Österreichischen Bundesbahnen, Christian Kern, ist schon lange die Zukunftshoffnung der Sozialdemokraten. Nun ist der 50-Jährige auf dem Sprung zum Regierungschef. Seit vielen Jahren ist der Medienprofi die beste Personalreserve der österreichischen Sozialdemokraten. Der Chef der Bundesbahnen ÖBB ist gut vernetzt, in der SPÖ groß geworden, aber nicht im Parteiapparat gefangen. Nach Abgang des SPÖ-Chefs und Bundeskanzlers Werner Faymann war der Ruf der Wähler nach einer Erneuerung an der Spitze groß. Kern gilt als Gegenentwurf zu seinem schon mal als „Kuschel-Kanzler“bezeichneten Vorgän- Chemie hat selten gestimmt zwischen dem geistlichen Denker, der gleich zweimal promovierte, und den kirchlichen Bewahrern. Es ist viel intrigiert worden gegen Lehmann; zwischenzeitlich war Rom auch bemüht, mit dem Kölner Erzbischof Meisner eine Gegenmacht hierzulande aufzubauen. Die fehlende Unterstützung von Fürsprechern im Vatikan konnte Lehmann manchmal mit Klugheit und Cleverness wettmachen. Dazu gehört die sogenannte Königsteiner Erklärung – ein „giftiges“Überbleibsel der Bischofskonferenz aus den Zeiten Kardinal Döpfners. Der hatte 1968 erreicht, ein Papier durchzusetzen, das die Verhütung auch als Gewissensentscheidung deutbar werden ließ und eine liberale Antwort auf die sogenannte Pillen-Enzyklika „Humane Vitae“war. Sehr zum Unmut Roms. Und als Lehmann 1987 als neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz seinen Antrittsbesuch bei Johannes Paul II. abstattete, wurde er vom Papst angehalten, diese „Königsteiner Erklärung“so bald wie möglich zurückzunehmen. Fast eine Bewährungsprobe. Und Lehmann bestand sie, aber auf seine Art und vor allem mit seinem Resultat. So schlug er dem Papst vor, erst einmal ein Gutachten über das Papier erstellen zu lassen, das Lehmann dann selbst schrieb und auf der Bischofskonferenz in Fulda 1993 als Auftragsarbeit des Papstes vortrug. Zu einer geplanten Aussprache mit Rom kam es dann weder mit Johannes Paul II. noch mit dem nicht weniger gestrengen Präfekten der Glaubenskongregation, mit