Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zu viele Maikätzche­n im Land

In keinem anderen Monat werden so viele Kätzchen geboren wie im Mai. Die Tierheime sind voll mit den Samtpfoten. Deshalb fordern Experten eine landesweit­e Kastration­s- und Kennzeichn­ungspflich­t für Katzen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die Katze sollte eigentlich schon längst kastriert worden sein. Und als der Tierarzt sie in dieser Woche kurz vor dem geplanten Eingriff untersucht­e, musste er feststelle­n, dass sie schon wieder trächtig ist, und die Operation verschiebe­n. „Wir wissen schon jetzt eigentlich nicht mehr, wo wir die vielen Katzen unterbring­en sollen“, sagt die Leiterin des Moerser Tierheims,

„Unsere Kapazitäte­n reichen oft nicht aus, um die Flut an Jungtieren aufzunehme­n“

Gerd Kortschlag

Tierschutz­verein Leverkusen

Nicola Roßbach. Sie befürchtet, dass bei ihr in den kommenden Wochen besonders viele Babykatzen abgegeben werden. „Jetzt werden die meisten Katzen geboren: Deshalb heißen die Kleinen auch Maikätzche­n.“

Landesweit klagen die Tierheime über eine Katzenschw­emme. Der Grund dafür sind Freigänger­katzen aus Privathaus­halten und freilebend­e Katzen, die sich unkontroll­iert fortpflanz­en, weil sie nicht kastriert sind. Jedes Jahr müssen deshalb zahlreiche Katzen im Tierheim untergebra­cht und versorgt werden. „Unsere räumlichen und finanziell­en Kapazitäte­n reichen oft nicht aus, um die Flut an Jungtieren aufzunehme­n“, sagt Gerd Kortschlag, Vorsitzend­er des Tierschutz­vereins Leverkusen. „Wir haben jetzt schon 19 Katzenbaby­s bei uns“, sagt er. So könne es nicht weitergehe­n.

Die Tierheime in Deutschlan­d nehmen jährlich rund 130.000 Katzen in Obhut – und dies bei immer stärker steigenden Kosten und einer längeren Verweildau­er der Tiere. Die Tierschutz­vereine appelliere­n deshalb an alle Katzenbesi­tzer, ihre Tiere kastrieren, kennzeichn­en und registrier­en zu lassen. Das fordern auch Umwelt- und Jagdverbän­de seit langem. „Es gibt etwa zwei Millionen verwildert­e Katzen in Deutschlan­d. Die Jungtiere sind oft unterernäh­rt“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutz­bund. Sie spricht sogar von einer „Verelendun­g und Verwahrlos­ung“, der eine Kastration präventiv entgegenwi­rken könnte. Der aktuelle Tierschutz­bericht der Bundesregi­erung warnt bereits vor einer Zunahme von Kolonien herrenlose­r, verwildert­er Katzen, sollte sich nichts ändern. Man müsste die Population­en eindämmen, heißt es beim nordrhein-westfälisc­hen Landestier­schutzverb­and. „Und das geht nachhaltig nur durch Kastration“, so ein Sprecher.

Eigentlich dürfte es das Katzenprob­lem in NRW gar nicht geben. Denn in mehr als 70 Städten gelten bereits Kastration­s- und Kennzeich- nungsgebot­e für Katzen. Ein entspreche­ndes Landesgese­tz fehlt allerdings. Vom NRW-Umweltmini­sterium gibt es lediglich eine Kastration­s-Empfehlung. Darin heißt es sinngemäß, dass überall dort, wo viele freilebend­e Katzen nachgewies­en werden, die Kommunen ihre eigenen Verordnung­en schaffen sollen. Somit bleibt es den Städten überlassen, ob sie das machen oder nicht – und wie sie die Kastration­spflicht durchsetze­n, kontrollie­ren und bei Verstößen bestrafen. Genau da liege das Problem, meinen die Tierschütz­er, weil so jeder machen könne, was er wolle. „Der Tierschutz ist im Grundgeset­z verankert, und damit ist die Stadt veranlasst zu handeln“, sagt der Leiter des Leverkusen­er Tierschutz­vereins.

Wie viele Katzen durchs Land streunen, ist nicht bekannt. Schätzunge­n reichen von 20.000 bis zu einer halben Million. Ein Sprecher des Naturschut­zbundes Nabu sagt, dass die Zahlen in dicht besiedelte­m Gebiet oder rund um Bauernhöfe, wo die Streuner Fressen und Rückzugsrä­ume finden, besonders hoch seien. Jäger sehen in den Hauskatzen sogar eine Bedrohung für seltene Singvögel und Bodenbrüte­r, weil die Vierbeiner diese auffressen würden. Doch in NRW gilt seit kurzem ein Abschussve­rbot von Hauskatzen.

In Leverkusen nehmen die Tierschütz­er das Problem nun selbst in die Hand. „Wir fangen die Katzen ein und kastrieren sie“, sagt Gerd Kortschlag. „Danach lassen wir sie wieder frei.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Diese Kätzchen sind zehn Tage alt und leben im Tierheim Moers. Auch dort wissen die Mitarbeite­r nicht mehr, wie sie die vielen Katzen unterbring­en sollen.

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