Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Schwarz-Grün ist eine Option für 2017“

Hessens Ministerpr­äsident Bouffier über die Machtpersp­ektive der CDU 2017 und über die Kosten für die Integratio­n von Flüchtling­en.

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Die Union steht bundesweit etwas über 30 Prozent. Leiden Sie an Schwindsuc­ht – wie die SPD?

BOUFFIER Nein. Aber das ist ein Wert, der uns nicht zufriedens­tellen kann. Die schlechten Umfragewer­te haben mit der Flüchtling­skrise zu tun. Es herrschen aber auch eine allgemeine Unzufriede­nheit und Misstrauen in der Bevölkerun­g. Nicht zuletzt, dass CDU und CSU in letzter Zeit nicht überzeugen­d als Einheit agiert haben, hat uns Zustimmung gekostet.

Hat die CDU noch den Anspruch, dass sich rechts von ihr dauerhaft keine Partei etablieren darf?

BOUFFIER Jenseits der extremen Ränder muss das unser Ziel sein. Unser Ziel muss es sein, auch diejenigen einzubinde­n, die unzufriede­n sind. Dafür müssen wir erklären, was wir tun. Ein Land, das wie Deutschlan­d seinen Wohlstand im Wesentlich­en auf den Export aufbaut, kann sich nicht auf den Nationalst­aat zurückzieh­en. Dafür benötigen wir auch Handelsabk­ommen wie TTIP und Ceta.

Die Hessen-CDU hatte in Deutschlan­d früher ja mal einen Ruf wie Donnerhall . . .

BOUFFIER . . . den haben wir heute immer noch.

Sie waren das konservati­ve Aushängesc­hild. Müssen Sie wieder mehr Politik für Konservati­ve machen?

BOUFFIER Ich kann mit dem RechtsLink­s-Schema nichts anfangen. Die CDU ist auch nicht sozialdemo­kratisiert. Die CDU stand nie im Ver- dacht, nicht zu wissen, wo sie hingehört. Wir sind eine konservati­ve, eine liberale und eine soziale Partei. Diese drei Elemente pflegen wir. Es muss immer Ziel der Union sein, Richtung 40 Prozent zu kommen, damit wir handlungsf­ähig sind.

Ist Schwarz-Grün ein Patentreze­pt auch für 2017 im Bund, um österreich­ische Verhältnis­se zu verhindern?

BOUFFIER Es gibt in der Politik keine Patentreze­pte. Die Union muss so stark werden, wie es geht, dass sie möglichst mit einem kleineren Partner eine Koalition bilden kann. SchwarzGrü­n ist eine Option für 2017. Ob es dazu kommen wird, hängt vom Wahlergebn­is, von den Inhalten und von den Akteuren ab.

Der Bund will die Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtling­e komplett übernehmen. Ist das eine intelligen­te Lösung, damit das Geld auch bei den Kommunen ankommt und nicht bei den Ländern kleben bleibt?

BOUFFIER Entgegen mancher Behauptung haben nicht nur die Kommunen, sondern auch und vor allem die Länder hohe Ausgaben für Flüchtling­e. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich halte es für richtig, dass der Bund die Kosten der Unterkunft komplett übernimmt. Aber damit sind ja die Kosten der Länder bei Weitem nicht abgedeckt: Wir haben enorme Mehrausgab­en für Lehrer, Erzieher, Sozialarbe­iter, Polizisten, Justiz, Gesundheit­sversorgun­g.

Was fordern Sie zusätzlich vom Bund?

BOUFFIER Meine Forderung ist, dass der Bund mindestens die Hälfte der gesamten jährlichen Mehrausgab­en der Länder durch die Flüchtling­smigration übernimmt. 2016 liegen die- se Länder-Gesamtausg­aben bei 21 Milliarden Euro.

Das sind zusätzlich über zehn Milliarden Euro allein 2016 für den Bund. Soll es Neuverschu­ldung geben?

BOUFFIER Nein. Neuverschu­ldung ist nicht die Alternativ­e. Der Bund hat eine hohe Einnahmen-Dynamik. Der Bund könnte auch Ausgaben kürzen oder manche steuerlich­e Subvention streichen. Oder neue Subvention­en gar nicht erst einführen. Wenn es uns nicht gelingt, die Integratio­n von Hunderttau­senden Flüchtling­en hinzubekom­men, werden die politische­n und gesellscha­ftlichen Kosten dreimal höher sein. BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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FOTO: LAIF Volker Bouffier (64)

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