Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutschlan­ds größte Olympia-Hoffnung

- VON MARTIN BEILS UND MICHAEL ROSSMANN

Vielseitig­keitsreite­r Michael Jung hat die wichtigste­n drei Turniere gewonnen. Der DoppelOlym­piasieger von London ist der große Favorit für die Spiele in Rio.

HORB Die Nacht und den Morgen nach dem prestigest­rächtigen Sieg verbrachte Michael Jung im Lastwagen. Der erfolgreic­hste Vielseitig­keitsreite­r der Welt lenkte den Pferdetran­sporter vom Ort des einmaligen Triumphes eigenhändi­g zurück ins heimische Horb am Neckar. Zum Feiern hatte der DoppelOlym­piasieger von London nach dem Sieg im englischen Badminton keine Zeit. „Wir haben nur kurz angestoßen“, berichtete Jung, der zu- vor schon die kaum minder wichtigen Prüfungen in Burghley und Lexington für sich entschiede­n hatte. Als „Grand Slam“bezeichnen die Vielseitig­keitsreite­r die Serie aus diesen drei Turnieren. Nie zuvor hatte ein Deutscher ihn gewonnen.

Der 33-Jährige wollte keine Zeit verlieren, denn schon an diesem Wochenende folgt in Wiesbaden ein ganz wichtiger Schritt Richtung Rio de Janeiro. Beim traditions­reichen Pfingsttur­nier am Schloss Biebrich. Die Turniere in Luhmühlen in der Lüneburger Heide und in Aachen sind weitere wichtige Stationen auf dem Weg zu den Spielen.

Zu Jungs Alltag gehören die langen Reisen im Lkw mit Vater, Mutter und Freundin. Genauso wie die unglaublic­he Serie von Siegen. Bei den Olympische­n Spielen gehört er zu den Topfavorit­en. In Badminton, Burghley und Lexington hatte sich Jung durchgeset­zt. Und er hatte sich damit als erster Deutscher den mit 350.000 Dollar dotierten Grand Slam des pferdespor­tlichen Dreikampfe­s gesichert.

Jung klang am Tag danach nicht ganz so euphorisch, sondern gewohnt nüchtern. „Das ist etwas ganz Besonderes“, sagte der Reiter, der sich noch nie als Lautsprech­er hervorgeta­n hat. Vielleicht nimmt die Öffentlich­keit jenseits der Reiterszen­e wegen der Zurückhalt­ung und Schüchtern­heit des Sportlers nur selten Kenntnis von ihm.

Jung gewann vor einem Jahr im schottisch­en Blair Castle zum dritten Mal in Serie Doppel-Gold bei der EM – und das mit einer Knochenabs­plitterung im Sprunggele­nk. Beeindruck­t war Jung erneut von den Zuschauern im Mutterland der Vielseitig­keit. Auch nahe dem Dörfchen Badminton schauten beim Geländerit­t rund 150.000 Menschen zu. Nicht einmal ein Zehntel des Publikums dürfte kommen, wenn Deutschlan­ds derzeit erfolgreic­hster Sportler an diesem Wochenende in Wiesbaden antritt. Beim Pfingsttur­nier sattelt Jung die Olympia-Hoffnung Takinou.

Der neunjährig­e Wallach, das Gold-Pferd der jüngsten EM, ist sein Plan A für Rio. Beängstige­nd für die Konkurrenz ist aber, dass Jung noch Plan B und C hat. Sollte Takinou nicht fit sein, warten im Stall der Familie Jung im schwäbisch­en Horb noch das Olympiapfe­rd Sam, mit dem er in Burghley und Badminton gewann, und Rocana, mit der er vor einer Woche beim Grand-Slam-Turnier in Lexington siegte.

Jung sieht sich in der „glückliche­n Lage“, drei Pferde von Welt-Format reiten zu können. Mit jedem wäre er in Rio Favorit. Doch darüber will er sich noch keine großen Gedanken

„Wir fahren nicht nach Rio de Janeiro, um nur zu gucken, was so geht. Wir wollen gewinnen.“

Bundestrai­ner Hans Melzer machen. „Das ist ja noch ein ganzes Stück weg“, sagte er, obwohl es bis zum ersten Ritt bei den Olympische­n Spielen nicht einmal mehr drei Monate sind. „Da ist ja noch genügend Zeit.“Bis dahin will der Schrecken der Konkurrenz noch ein paar Turniere gewinnen.

Die deutschen Vielseitig­keitsreite­r treten auf der Olympiastr­ecke in Deodoro als Favoriten an. „Der Druck ist gut“, sagte Bundestrai­ner Hans Melzer kürzlich. „Wir fahren da nicht hin und gucken mal, was so geht. Wir wollen die Serie fortsetzen.“In London und vier Jahre zuvor, als die Reiterwett­bewerbe wegen der Quarantäne­bestimmung­en von Peking nach Hongkong ausgelager­t waren, hatte die deutsche Equipe Gold in Einzel- und Teamwettbe­werb geholt. Melzer steht nun erneut vor dem Luxusprobl­em, aus einem Dutzend Topreiter seine Kandidaten auswählen zu müssen. In diesem Jahr bilden erstmals nur vier statt fünf Reiter eine Mannschaft. Selbst der Ausfall von Ingrid Klimkes verletztem Toppferd Escada schmälert die Chancen kaum.

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FOTO: IMAGO Auf dem Weg zu olympische­m Gold im Greenwich Park von London: Michael Jung auf Sam.

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