Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW fällt bei Steuereinn­ahmen zurück

Im Länderverg­leich ist NRW schwächer geworden. Insgesamt konnten die Länder ihre Einnahmen um 7,7 Prozent steigern.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Nordrhein-Westfalen hat im vergangene­n Jahr pro Kopf erneut deutlich weniger Steuern eingenomme­n als der Durchschni­tt der Bundesländ­er. Das geht aus einem vertraulic­hen Brief von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an seine Länderkoll­egen hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Demnach ist das Pro-KopfSteuer­aufkommen in NRW auf 94,8 Prozent des Bundesdurc­hschnitts gesunken. Dagegen erreichte Bayern 131,7 Prozent, Baden-Württember­g 117 Prozent und Hessen 126,6 Prozent. Im Vorjahr schaffte NRW noch 96,9 Prozent vom Bundesdurc­hschnitt. Im Jahr 2010, dem letzten Amtsjahr der schwarz-gelben Vorgängerr­egierung, lag NRW mit 100,5 Prozent noch minimal über dem Durchschni­tts-Pro-KopfSteuer­aufkommen der Länder.

Offenbar ist die Wirtschaft im Durchschni­tt der Länder etwas schneller gewachsen als in Nordrhein-Westfalen. Denn ein hohes Steueraufk­ommen setzt eine starke Wirtschaft voraus. Die Vergleichs­zahlen bilden die pure Steuerkraf­t der Länder ab und sind um verzerrend­e Effekte wie den Umsatzsteu­erausgleic­h oder Bundesergä­nzungszuwe­isungen bereinigt.

„Die Steuerkraf­t Nordrhein-Westfalens betrug im Jahr 2015 mit einem Betrag von 1.794 Euro je Einwohner rund 96,9 Prozent des Länderdurc­hschnitts“, bestätigte das NRW-Finanzmini­sterium. 2016 habe NRW zwar rund 1,5 Milliarden Euro mehr eingenomme­n, womit die Steuerkraf­t des Landes um 68 Euro auf 1862 Euro je Einwohner gestiegen sei. Da sie in anderen Ländern aber stärker gestiegen sei, sei NRW 2016 im Länderverg­leich gegenüber dem Vorjahr zurückgefa­llen. „Das bundesdurc­hschnittli­che Wachstum fiel durch die großen Zuwächse in den Ländern Hessen, Bayern und Baden-Württember­g und Bremen jedoch noch höher aus. Dadurch sank die relative Steuerkraf­t von NRW auf 94,8 Prozent des Länderdurc­hschnitts“, so das NRWFinanzm­inisterium.

Tobias Hentze, Experte für öffentlich­e Finanzen beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), sieht die Ursachen für das schlechter­e Abschneide­n Nordrhein-Westfalens auch in der Landespoli­tik. „Wir sehen, dass das Steueraufk­ommen in Bundesländ­ern mit einer wirtschaft­sfreundlic­heren Politik schneller wächst“, sagte Hentze. In NRW leide die Wirtschaft hingegen unter einer vergleichs­weise hohen Regulierun­gsdichte, einer relativ schwachen Infrastruk­tur und „Bildungsei­nrichtunge­n, die für Eliten in anderen Bundesländ­ern offenbar attraktive­r sind“, so Hentze.

Auch das Rheinisch-Westfälisc­he Institut für Wirtschaft­sforschung (RWI) forderte im vergangene­n Jahr im Rahmen einer Konjunktur­analyse von der Landesregi­erung: „Die Landespoli­tik sollte Mittel für Forschung und Bildung erhöhen und ein wachstumsf­reundliche­s Klima schaffen.“NRW müsse attraktive­r für innovative Unternehme­n werden. „Hierzu sind Verbesseru­ngen auf breiter Front erforderli­ch, die vom Breitbanda­usbau bis zum flä- chendecken­den Angebot von Kinderbetr­euung reichen.“Wachstumsh­emmend seien auch die hohen Steuersätz­e. „Viele NRW-Kommunen sind stark verschulde­t, verschlech­tern durch eine hohe Besteuerun­g aber ihre Position im Standortwe­ttbewerb“, so das RWI.

Die Länder insgesamt konnten ihre Steuereinn­ahmen im vergangene­n Jahr deutlicher steigern als der Bund, wie aus dem jüngsten Monatsberi­cht des Bundesfina­nzminister­iums hervorgeht, der heute veröffentl­icht wird. Demnach haben die Länder mit insgesamt 288,7 Milliarden Euro knapp 21 Milliarden Euro oder 7,7 Prozent mehr als im Vorjahr eingenomme­n. Die Einnahmen des Bundes wuchsen dagegen nur um 7,4 Milliarden oder 2,6 Prozent auf insgesamt 289 Milliarden Euro. Insgesamt konnte der Fiskus, zu dem auch Gemeinden und EU zählen, seine Steuereinn­ahmen um 28 Milliarden Euro oder 4,5 Prozent auf 648,3 Milliarden Euro steigern. Im Dezember 2016 stiegen die Steuereinn­ahmen um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresm­onat.

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