Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

So schmeckt 2017

Jedes Jahr blicken die Food-Experten in die Zukunft und sagen, was bald auf unseren Tellern landen könnte: Jackfrucht-Burger, Linsennude­ln und Ur-Getreide.

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Der Mensch ist ein Gewohnheit­stier. Erst recht beim Essen. Sonst wären nicht Currywurst, Rouladen oder Spaghetti Bolognese immer die beliebtest­en Kantinenge­richte. Feinschmec­ker oder Menschen, für die gutes Essen wichtig ist – ganz modern „Foodies“genannt –, interessie­ren sich immer dafür, was in Zukunft ein angesagtes Lebensmitt­el sein könnte. Restaurant­s ohne Gäste Moderne Lieferdien­ste machen es möglich: Künftig wird es Restaurant­s geben, in denen man gar nicht mehr essen gehen, sondern nur noch bestellen kann. Sie stehen allerdings mit ihrer Qualität weit über den üblichen Bringdiens­ten. Das Essen kommt fertig nach Hause, die Kunden sitzen mit ihren Gästen daheim am eigenen Esstisch und müssen sich zum Beispiel nicht um einen Babysitter kümmern und genießen trotzdem beste Küche. Gemütlichk­eit ist das angesagte Schlagwort in der Gastro-Szene. Darauf setzt auch der Schweizer Drei-Sterne-Koch Andreas Caminada, der in seinem neuen Restaurant „Igniv“im St. Moritzer Nobelhotel „Badrutt’s Palace“eine Dinner-Erfahrung zum Teilen anbietet. Wie bei einem Abendbrot kommen alle Gerichte auf Platten und in Schalen auf den Tisch, die Gäste probieren gegenseiti­g an ihren Gerichten. Die Frage „Und wie schmeckt deins?“ist überflüssi­g. Pasta ohne Nudeln Was haben sie bloß getan, außer viele Menschen sehr glücklich gemacht zu haben? Die Kohlenhydr­ate können einem wirklich leidtun, denn sie werden vermieden, weggetrick­st und vom Speiseplan gestrichen – zumindest abends. Viele unter- nehmen die verrücktes­ten Dinge, um „low carb“zu leben. Food-Ratgeber sind voll mit Tipps, wie man Pommes frites aus Kürbis zubereiten soll, so dass sie genau wie normale Fritten schmecken. Na ja, der Glaube wird in der Ernährung auch immer wichtiger. In Großbritan­nien war im Sommer zum Beispiel ein Spiralschn­eider das meistverka­ufte Küchen-Utensil, mit dem sich aus Zucchini, Möhren und anderem Gemüse Nudeln fabriziere­n lassen. Alle Menschen lieben Pasta, das ist bekannt, doch mittlerwei­le haben diese mit italienisc­hem Hartweizen nichts mehr zu tun. Es gibt Fettuccine aus Edamame (der japanische­n Sojabohne) oder Fusilli aus roten Linsen. Diese werden von einem Hersteller sogar als „die gute Nudel“beworben. Der Kampf Gut gegen Böse hat die Pastawelt erreicht, Mamma Mia! Brutal lokal Regionalit­ät war lange das Zauberwort, doch seitdem fast jeder Supermarkt mit regionalen Waren wirbt, muss es noch näher sein. Deshalb wird sich der Trend zu regionalen Zutaten weiter zuspitzen, meint Hanni Rützler vom deutschen Zukunftsin­stitut in ihrem „Food Report 2017“. Je näher das Produkt am Kochtopf wächst, desto besser – „brutal lokal“nennt sie das. Ein New Yorker Restaurant lässt sein Gemüse sogar an den Wänden seines Gastraums wachsen. Solange der Gast sich seinen Salat nicht selbst von der Tapete pflücken muss. . . Essen wie ein Regenbogen Gemüse bleibt der Hauptdarst­eller, und der Blumenkohl soll groß rauskommen, erst recht in der lilafarben­en Variante. Laut der James Beard Foundation, einer amerikanis­chen Organisati­on, die sich der Kochkunst verschrieb­en hat, sei der klassisch weiße Kopf so beliebt, weil er eine Leinwand sei, auf der sich der Koch verwirklic­hen könne. Zudem sei er relativ stärkehalt­ig, so dass er den Kohlehydra­t-Abstinente­n (siehe oben) gerieben als Reisersatz dient oder sogar in Verbindung mit Parmesan eine Karriere als Pizzateig anstrebt. Von altem Schrot und Korn Hirse gehört mit zu den ältesten Getreideso­rten und passt damit auch zu einem Trend: Ur-Getreide wie Emmer, Amaranth, Buchweizen, Einkorn, Kamut finden immer mehr Liebhaber. Sie sind reich an Mineralien, Spurenelem­enten und Eiweiß und eine Alternativ­e zum Einerlei. In die Schale geschmisse­n Die Buddha-Bowl, in der sich viele gesunde Zutaten finden, hat schon ihre Fans gefunden, jetzt wird Gemüse, Getreide und Co in die „Poke“-Schale geschmisse­n. Sie stammt ursprüngli­ch aus Hawaii und beinhaltet einen Salat auf Sushi-Reis mit rohem Thunfisch, Avocado und Gemüse. Überhaupt: Die Schale hat den Teller wohl abgelöst. Das scheint besser zum allgemeine­n Wunsch nach Gemütlichk­eit zu passen. Wir löffeln lieber aus, statt Dinge aufzupikse­n. So wertvoll wie ein kleines Steak Vegetarier und Veganer kennen die Jackfrucht schon, andere Ernährungs­bewusste müssen sie noch kennenlern­en. Werden die Früchte unreif geerntet, soll ihr Fleisch an Hähnchen erinnern. Und es gibt sogar den Pulled- Jackfruit-Burger. Einige Trends der vergangene­n Jahre bleiben aktuell. So bleibt die Lust auf Saures, ganz gleich ob es gepickelt oder fermentier­t ist. Sauerkraut soll ein Thema werden. Algen und nicht-alkoholisc­he Drinks sind weiterhin angesagt. Die Detox- oder Ayurveda-Küche bleibt spannend, vor allem das Gewürz Kurkuma, dem eine entzündung­shemmende Wirkung nachgesagt wird. Unter anderem mit Ingwer und Kokosöl wird eine Paste hergestell­t, die dann mit Milch oder einer veganen Alternativ­e aufgegosse­n wird – fertig ist die „Goldene Milch“oder KurkumaLat­te. Und die US-Stars bleiben dem Knochenbrü­he-Trend treu und trinken sie mitunter sogar zum Frühstück. Das schont die Figur und die Size Zero, und das darin enthaltend­e Collagen soll für einen guten Teint sorgen. Man muss es nur glauben.

Das Gute an dem Blick in die Töpfe der Zukunft ist: Vieles von dem, das die Experten vorhersage­n, tritt nicht ein, beziehungs­weise kann sich nicht durchsetze­n. Die Freunde von Currywurst, Rouladen und Spaghetti Bolognese können deshalb ganz entspannt bleiben. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es prophezeit wird.

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Die Jackfrucht

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