Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Auch Kanada macht der Hass auf Muslime zu schaffen
Der Anschlag in Québec wirft ein Licht auf die Spannungen im Land. Kanada sieht sich als liberalen Leuchtturm, hat aber bekannte Probleme.
QUEBEC Der Terroranschlag auf eine Moschee in der Stadt Québec trifft Kanada schwer. Am Sonntagabend waren in dem muslimischen Gotteshaus nach Angaben der Polizei sechs Menschen beim Gebet erschossen und acht zum Teil schwer verletzt worden. Bisher wurden zwei Männer festgenommen; beide waren der Polizei bislang unbekannt. Einer gilt als verdächtig. Nach Augenzeugenberichten waren gegen acht Uhr abends mindestens zwei Maskierte mit Waffen in die Moschee im Vorort Ste-Foy eingedrun- gen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich mehrere Dutzend Personen in dem Gotteshaus befunden, die meisten davon Männer. Im Obergeschoss des Gebäudes hielten sich auch Frauen und Kinder auf.
Premierminister Justin Trudeau, der eine liberale Einwanderungspolitik vertritt, verurteilte die Tat scharf: „Muslimische Kanadier sind ein wichtiger Teil unseres nationalen Gefüges, und diese sinnlosen Gewalttaten haben keinen Platz in unserem Land, in unseren Gemeinden und unseren Städten“, sagte er.
Der Anschlag geschah, nur einen Tag nachdem Trudeau betont hatte, Flüchtlinge seien in seinem Land willkommen. Kanada vertritt trotz des Machtwechsels in Washington weiter eine Politik der offenen Tür und hat bislang etwa 40.000 Syrer aufgenommen – deutlich mehr als die USA. Zugleich sind die Waffengesetze in Kanada schärfer; nicht zuletzt deswegen kommt es deutlich seltener zu Massenschießereien und schweren Anschlägen.
Dennoch war auch Kanada in den vergangenen Jahren nicht vor fremdenfeindlichen oder islamistischen Vorfällen gefeit. Besonders in der französischsprachigen Provinz Québec gibt es Probleme. Letztes Jahr war vor derselben Moschee, in der es jetzt zur Schießerei kam, ein Schweinskopf gefunden worden. 2013 wurde ein muslimisches Gotteshaus in der Stadt Saguenay mit Schweineblut beschmiert. In der Nachbarprovinz Ontario wurde 2015 eine Moschee in Brand gesteckt. Umgekehrt waren muslimische Kanadier auch an Attentaten im eigenen Land beteiligt, so 2014, als zwei Einzeltäter in Ottawa und Québec drei Soldaten erschossen.
Ähnlich wie Frankreich verzeichnete besonders Québec einen starken Zuzug muslimischer Einwanderer, die meisten aus Nordafrika. Das ging nicht ohne Reibungen vonstatten. So verbannte die ehemalige separatistische Regierung Québecs den muslimischen Gesichtsschleier, den Nikab, aus Teilen des öffentlichen Lebens, was bei Muslimen zu heftigen Protesten führte.
Bei der Parlamentswahl 2015 hatte Premierminister Stephen Harper versucht, mit anti-islamischen Tönen in Québec zu punkten, und vorgeschlagen, Bürger sollten „barbarische kulturelle Praktiken“mittels einer Hotline an den Staat melden. Bei der breiten Bevölkerung kamen diese Vorschläge allerdings nicht gut an – Harper wurde abgewählt.