Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Humboldt“-Schüler treffen in Auschwitz Holocaust-Überlebende
NEUSS (jro) Bei minus sechs Grad laufen Nicklas Kohlmann und seine 16- bis 17-jährigen Mitschüler an den Holzbaracken der Häftlinge entlang, fühlen die Strohsäcke, auf denen die Insassen im Stammlager Auschwitz genächtigt haben und stehen schließlich fassungslos vor dem Krematorium. „Über die Konzentrationslager haben wir viel gehört. Aber den Ort zu betreten, praktisch auf der Asche der Toten zu laufen, war erschreckend“, sagt der Schüler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums.
Zwar steht der Nationalsozialismus im Lehrplan jeder weiterfüh- renden Schule. Aber die 19 Schüler der Gedenkstätten-AG, die aus unterschiedlichsten Kulturkreisen stammen, erlebten dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte auf besondere Art: Sie fuhren nach Polen, zu den ehemaligen Konzentrationslagern Auschwitz und Birkenau. „Mir war es ein Anliegen, den Schülern durch diese Reise in die Vergangenheit Toleranz beizubringen“, sagt Jessica Grundkiewicz. Die Lehrerin spricht polnisch und hat die AG 2016 ins Leben gerufen. Ermöglicht wurde die Fahrt auch durch einen Zuschuss der Stiftung „Erinnern-Ermöglichen“.
Während der fünftägigen Reise besuchte die Schülergruppe nicht nur das ehemalige KZ, sondern traf auch einen Holocaust-Überlebenden (96), der drei Jahre in Auschwitz gelebt hat. „Viele Zeitzeugen, die die Konzentrationslager überlebt haben, gibt es nicht mehr“, sagt Grundkiewicz. „Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Jugendliche hören, was ihnen passiert ist.“Beeindruckt habe ihn die Lebensfreude, die sich der Mann trotz allem erhalten habe, sagt Nicklas Kohlmann. „Man kann sich nicht vorstellen, auch nur eine Woche an diesem grausamen Ort zu leben.“
Geschlafen hat die Gruppe in einem Artdeco-Hostel in Krakau, das im Stil der 1930er Jahre eingerichtet war. „So konnten wir uns wunderbar in die Zeit hineinversetzen“, sagt Grundkiewicz. Abends wurden polnische, jüdische oder israelische Gerichte gegessen und über die Eindrücke gesprochen, ins Tagebuch oder ins Erinnerungs-Blog geschrieben. „Ich weiß das Leben jetzt mehr als Geschenk zu schätzen“, sagt der 17-jährige Yoram van de Wetering. Im Juli plant die Gruppe im „Humboldt“eine multimediale Ausstellung zu ihrer Fahrt.