Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sensatione­lle Steinzeitf­unde an der A 57

Archäologe­n haben bei routinemäß­igen Grabungen im Rahmen der Erweiterun­g der Autobahnra­ststätte Nievenheim im vergangene­n Jahr unerwartet einen über 10.000 Jahre alten Lagerplatz von Nomaden gefunden.

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

NIEVENHEIM Martin Heinen hat schon viel und tief gegraben und manche Kostbarkei­t freigelegt. Aber was der Archäologe aus Frechen im Frühjahr vergangene­n Jahres am Rastplatz Nievenheim-Ost (Fahrtricht­ung Köln-Neuss) entdeckte, war schlichtwe­g eine Sensation: „Ein sehr, sehr seltener Lagerplatz von Jägern und Sammlern aus der Steinzeit. Davon gibt es in Deutschlan­d vielleicht eine Handvoll.“Unter anderem wurden Steine entdeckt, die von der Insel Helgoland stammen, die damals, vor 10.000 Jahren allerdings noch Festland war. Die archäologi­schen Grabungen waren obligatori­sch im Vorfeld der Erweiterun­g der AutobahnRa­ststätte. Heinen: „Wir haben dort Funde vermutet. Aber nicht solche…“

Erstmals präsentier­t wurden die Funde am Montag und Dienstag bei der Tagung des Landschaft­sverbands Rheinland „Archäologi­e im Rheinland“in Bonn. Warum die Öffentlich­keit erst jetzt, ein dreivierte­l Jahr später von diesen sensatione­llen Funden erfährt, erklärt LVRSpreche­rin Birgit Ströter: „Das ist normal. Denn diese Funde müssen zuerst einmal von den Archäologe­n gesichert und wissenscha­ftlich begutachte­t werden. Denn es geht dann ja auch um die Frage, ob die Funde tatsächlic­h so bedeutend sind wie angekommen.“Ein weiterer Grund ist die Sorge vor Grabräuber­n.

Für den Landesbetr­ieb StraßenNRW waren die Grabungen kein Problem: „Darauf waren wir eingestell­t, sie haben auch zu keinen Verzögerun­gen geführt“, sagt Christoph Jansen, Leiter der Niederlass­ung Mönchengla­dbach. Derzeit laufen die Arbeiten an der Erweiterun­g des Rastplatze­s, auf dem ab Mitte 2018 deutlich mehr Lkw Platz finden sollen, auf Hochtouren.

Das Grabungste­am der Fachfirma Artemus aus Frechen war im vergangene­n Jahr auf Funde aus vorrömisch­er Eisenzeit eingestell­t. „Dass es dann noch zusätzlich Stücke aus der Steinzeit gab, traf uns aus heiterem Himmel“, sagte Martin Heinen. Am Ende waren 2350 Feuerstein­e und rund 140 Werkzeuge ausgegrabe­n worden. Besonders tief mussten die Experten nicht buddeln: Nur rund 50 bis 70 Zentimeter tief lagen die wertvollen Stücke. „Da haben wir viel Glück gehabt, dass die Bau- ern mit ihren Pflügen die Funde nicht beschädigt haben.“Unter den Stücken waren sogar Feuerstein­e (Flint) aus Helgoland, das konnte anhand der Farbgebung nachgewies­en werden. Damit stellt Nievenheim den südlichste­n Fundort von Helgoland-Feuerstein­en in Europa dar. Unter den Steingegen­ständen waren viele Werkzeuge, wie zum Beispiel Pfeilspitz­en, Kratzer zum Bearbeiten von Tierhäuten und -fellen oder Stiche. Mittels der gefunden Holzkohle konnte der Lagerplatz auf das Ende der letzten Eiszeit 10.000 bis 9.600 vor Christus datiert werden. Die Jäger und Sammler waren Nomaden, die sich für ihre Lagerplätz­e günstige Stellen, wie in Nievenheim aussuchten, weil dort damals ein alter Rheinarm verlief.

Die Funde werden zum Teil noch in Frechen bearbeitet und beschrifte­t. Andere Stücke sind im Landesmuse­um in Bonn ausgestell­t.

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FOTOS: HEINEN Die Funde aus Nievenheim: In der oberen Reihe sind Pfeilspitz­en zu sehen, in den drei folgenden Reihen Kratzer und in der unteren Reihe Stichel.
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Drei Monate lang waren die Archäologe­n damit beschäftig­t, die Grabungen zu sichern.
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Ein Flint, das von Helgoland stammt.

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