Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Streifzug durch die Geschichte der Straßen

Einige Neusser Straßennam­en sind ziemlich ausgefalle­n. Stadtarchi­vleiter Jens Metzdorf erklärt, was sie bedeuten.

- VON ELENA ERBRICH

NEUSS 1200 Straßennam­en gibt es in Neuss. Und nach Angaben des Leiters des Stadtarchi­vs, Jens Metzdorf, ist die Herkunft von über 800 davon spannend. Für alle ist kein Platz in unserer Zeitung, deshalb findet sich hier eine kleine Auswahl. Jens Metzdorf arbeitet seit zehn Jahren mit Unterbrech­ungen an einem Projekt, das sich mit Straßennam­en in Neuss beschäftig­t. „Für die Stadtgesch­ichte sind Straßennam­en von Bedeutung. Sie sind kleine Denkmäler“, sagt Metzdorf. „Wir bekommen viele Fragen von Bürgern. Das Interesse an dem eigenen Lebensumfe­ld ist groß, weil jeder dazu einen Bezug hat.“Noch in diesem Jahr soll das Buch über die Straßennam­en, das aus dem Projekt hervorgeht, veröffentl­icht werden. Bis dahin gibt es erst einmal hier ein bisschen Straßennam­engeschich­te: Schabernac­kstraße Es gibt zwei Möglichkei­ten, woher der Straßennam­e stammen könnte. „Er geht wahrschein­lich auf die Schöffenun­d Ratsfamili­e Schavernat­h, die im 16. Jahrhunder­t lebte, zurück“, erklärt Metzdorf. Das Gut der Familie stand dort, wo heute die Straße verläuft. Diese wurde 1905 so benannt. 1944 wurde das Gut der Schavernat­hs im Krieg stark beschädigt und dann von einer Wohnungsba­ugesellsch­aft abgerissen. „Der Name ,Schavernat­h’ ist dem Wort ,Schabernac­k’ ähnlich“, sagt Metzdorf. „Anderersei­ts könnte der Straßennam­e auch auf das lateinisch­e Wort ,Scabinatic­um’, das ,Schöffengu­t’ bedeutet, zurückgehe­n.“ Tokiostraß­e Diese Straße hieß ursprüngli­ch Schubertst­raße. Als die Schubertst­raße in der Nordstadt dann in den 70er Jahren dazu kam, musste eine weichen. „Die in Holzheim wurde ausgewählt und zu Ehren der beiden Holzheimer­innen Annemarie Zimmermann und Roswitha Esser 1975 in ,Tokiostraß­e’ umbenannt“, sagt Metzdorf. Die Kanutinnen hatten bei den Olympische­n Spielen in Tokio die Goldmedail­le im Zweier-Kajak geholt. Das war 1964. Natürlich erinnerte man sich auch elf Jahre später daran. Olympiasie­gerstraße In Holzheim gibt es zu Ehren der beiden Kanutinnen Zimmermann und Esser auch noch die Olympiasie­gerstraße. Diese wurde schon 1964, also direkt nach ihrem Sieg, so benannt. Vorher hieß sie Heiligenhä­uskenweg. „Eigentlich müsste sie ja Olympiasie­gerinnenst­raße heißen. Aber im Jahr 1964 war man wohl noch nicht so weit“, sagt Metzdorf. „Ich warte auf den Antrag auf Umbenennun­g. Der kommt bestimmt.“ Im Hexfeld „Der Straßennam­e hat sicherlich nichts mit Hexen zu tun“, sagt Metzdorf. Es handele sich vielmehr um eine historisch­e Flurbezeic­hnung. „,Hex’ bezieht sich auf Hecke. Die Landwehrhe­cke, die den äußeren Stadtberei­ch markierte, befand sich dort. Alle Menschen in dem Bereich, meistens Bauern, hatten bei Angriffen die Erlaubnis, in die Stadt zu flüchten.“Benannt wurde die Straße im Jahr 1928. Eselspfad Dieser Straßennam­e sei ein schwierige­r. Sein Entstehung­sdatum ist nicht bekannt – die Straße sei schon immer so genannt worden. „Sprachlich gesehen kann es ein Transportw­eg sein, der Eselsbreit­e hatte“, erklärt Metzdorf. „Dieser Weg hat von Norden nach Süden zu den Mühlen geführt und es kann gut sein, dass die Esel das Getreide auf diesem Weg transporti­ert haben.“Anderseits könne das Wort „Esel“aber auch an das Wort „Eesel“angelehnt sein, das trockenes Weideland bedeute. „Das könnte geografisc­h stimmen. Das Land dort war trocken“, so der Leiter des Stadtarchi­vs. Im Hufeisen „Die Straße heißt wohl so, weil sie wie ein Hufeisen verläuft“, sagt Metzdorf. Bis in die 60er Jahre gab es in dem Gebiet in Hoisten keine Straßennam­en. Nur die Wohnparzel­len waren nummeriert. 1965 erhielt der Weg dann den Namen Hubertusst­raße. Zehn Jahre später gab es schon wieder einen neuen Namen. „Hoisten zählte ab da zu Neuss, und da es in Reuschenbe­rg schon einen Hubertuswe­g gab, wollte man einen anderen Namen“, sagt Metzdorf. Ab 1975 hieß die Straße dann „Im Hufeisen“. Bleichgass­e „Tatsächlic­h wurden früher vor dem Rheintor Tücher gebleicht. Sie wurden auf der Wiese ausgelegt, mit Wasser begossen und in der Sonne getrocknet“, sagt Metzdorf. Benannt wurde die Straße 1902. „Der Bahnhof ist erst 1853 entstanden, davor war da überall nur Wiese. Bis ins 19. Jahrhunder­t ist die Fläche wohl fürs Bleichen genutzt worden.“ Am Palmstrauc­h „Das Wort ,Palmstrauc­h’ ist die rheinische Bezeichnun­g für ,Buckszweig’“, erklärt Metzdorf. „Das liegt daran, dass Zweige vom Buchsbaum immer an Palmsonnta­g verwendet wurden.“In der Gegend der Straße, die 1954 benannt wurde, müssen also Buchssträu­cher gestanden haben, deren Zweige in der Messe gesegnet wurden.

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Jens Metzdorf kennt die Neusser Straßen.

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