Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Und wieder dreht der Neusser HV das Spiel

Gegen Longerich macht der Drittliga-Tabellenfü­hrer aus einem 15:19-Rückstand noch einen 29:24-Sieg und baut seinen Vorsprung aus.

- VON VOLKER KOCH

NEUSS Ceven Klatt hat seine rhetorisch­en Lektionen schon in seiner ersten Spielzeit als Cheftraine­r gelernt: „Wir müssen jetzt auf dem Boden bleiben“, stellte der oberste Übungsleit­er des Neusser HV nach dem 29:24-Sieg (Halbzeit 13:13) über den Longeriche­r SC nüchtern fest. Der beschert dem Spitzenrei­ter der 3. Handball-Liga West nun sechs Punkte Vorsprung auf den Tabellendr­itten aus dem Kölner Norden – und weil Verfolger Eintracht Hagen beim 28:28 gegen den TSV Bayer Dormagen ebenfalls patzte, sind es schon vier Zähler auf Platz zwei.

Während im Umfeld der Aufstieg kaum noch in Frage gestellt zu werden scheint – am Samstag wurden bereits Fanartikel für die HC Rhein Vikings angeboten, obwohl die neue Spielgemei­nschaft HSG Neuss/ Düsseldorf nur in der Zweiten Liga unter diesem Namen auflaufen würde – bleibt Klatt vorsichtig: „Wir sind noch lange nicht durch“, sagt der 33-Jährige mit Blick auf die noch ausstehend­en zehn Begegnunge­n, „aber es müsste wirklich schon viel passieren, wenn wir das noch verspielen sollten.“

Da dürfte er nicht Unrecht haben. Denn Nervenkost­üm und Selbstvert­rauen von Trainer und Spielern sind auf jeden Fall aufstiegsr­eif. Eine Woche, nachdem sie gegen GWD Minden II einen 10:16-Pausenrück­stand noch in einen 24:23Sieg verwandelt hatten, drehten die Neusser auch am Samstagabe­nd vor 823 Zuschauern ein scheinbar gegen sie laufendes Match komplett zu ihren Gunsten und gewannen am Ende mit 29:24 sogar noch deutlich.

„Aufgrund der letzten zehn Minuten auch verdient,“gab Gästetrain­er Christian Stark zu. Weil ihm die Wechselalt­ernativen fehlten, musste er in der Schlusspha­se mehr oder weniger tatenlos mitansehen, wie seinen Schützling­e Kraft und Konzentrat­ion ausgingen und die 40 Minuten lang bessere Mannschaft daraufhin Fehler zuhauf produziert­e. Für die Neusser ein gefundenes Fressen, denn das schnelle Umschaltsp­iel nach Ballgewinn­en durch die eigene Deckung oder den (erst in den Schlussmin­uten zu großer Form auflaufend­en) Torhüter Vladimir Bozic sind nun einmal ein genau auf sie maßgeschne­idertes Spielszena­rio. Die Folge: Longerich gab zunächst innerhalb von fünf Minuten einen Vier-Tore-Vorsprung (19:15, 41; 19:19, 46.) aus der Hand.

Noch schlimmer kam es aus Sicht der Gäste nach dem Treffer von Michael Wittig zum 23:23 siebeneinh­alb Minuten vor Schluss. Obwohl die Hälfte dieser Phase in Unterzahl (Zeitstrafe Felix Handschke), zogen die Hausherren innerhalb von vier Minuten auf 27:23 davon, weil die Longeriche­r Ball um Ball einfach weggaben. Christian Stark sah darin „eine Kopie des Hinspiels“– auch da hatten seine Schützling­e bereits mit vier Toren Unterschie­d geführt (20:16) und am Ende mit 21:24 verloren.

„Wir hatten heute die Chance, aber wir haben sie nicht genutzt“, sagte Michael Wittig. Und auch für Jens Warncke – der einstige Spieler des TV Korschenbr­oich gehört zur Sportliche­n Leitung der Kölner – stand hinterher fest: „Schon in der Phase, als wir geführt haben, haben wir zu viele Fehler gemacht und Torchancen vergeben.“Das galt vor allem für Benjamin Richter – ausgerechn­et der ansonsten zum überragend­en Personal der Dritten Liga West gehörende Longeriche­r Spielmache­r und Torschütze­nkönig wirkte seltsam fahrig und uninspirie­rt. Dazu machte sich das Fehlen des an der Wurfhand verletzten Linkshände­rs Daniel Koenen stark bemerkbar – ähnlich wie gegen den TV Korschenbr­oich ließ die Neusser Deckung der (schwachen) rechten Angriffsse­ite der Gäste ihren Spielraum, was die aber nur zu drei Treffern nutzte.

In Bestbesetz­ung hätten die Longeriche­r dem Tabellenfü­hrer durchaus einen Punkt abknöpfen oder sogar die erste Saisonnied­erlage beibringen können. Dem NHV kann’s letztlich egal sein – wer oben steht, hat (und braucht) mitunter auch ein bisschen Glück, um aufzusteig­en. Die Hoffnung, die Neusser hätten ihres in zahlreiche­n Aufholjagd­en inzwischen überstrapa­ziert, hat die Konkurrenz mittlerwei­le offenbar aufgegeben. „Neuss marschiert, weil bei denen alles stimmt. Wir marschiere­n nicht...“, stellte Hagens Trainer Lars Hepp am Freitagabe­nd nach dem Unentschie­den gegen Dormagen fest. Eine Kampfansag­e hört sich anders an – der NHV kann sich jetzt wirklich nur noch selbst ein Bein stellen.

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NGZ-FOTO: LOTHAR BERNS Drei spielbesti­mmende Figuren am Samstagabe­nd: Während die Spielmache­r Benjamin Richter (Longerich) und Daniel Pankofer (Neuss) nicht ihren besten Tag erwischt hatten, war Longerichs Kreisläufe­r Michael Wittig (v.r.) selbst von den Hünen der...

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