Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Lufthansa will 40 Flugzeuge auslagern

Pilotengew­erkschaft und Management nehmen den Kompromiss des Schlichter­s an. Das Management kündigt jedoch kurz darauf unabgespro­chen die Verlagerun­g Dutzender Maschinen an. Die Gewerkscha­ften sind erbost.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Bombe ließ die Lufthansa gestern per Pressemitt­eilung platzen: Stolz verkündete Deutschlan­ds größte Airline das Ende des Streits um höhere Löhne mit der Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC). Eigentlich eine gute Nachricht für die Fluggäste. Doch die Mitteilung enthielt den Hinweis, dass für den teuren Kompromiss 40 Flugzeuge nicht mehr unter den Konzerntar­if fallen. Ein VC-Sprecher sagte, dies sei nicht mit der Gewerkscha­ft abgesproch­en worden. „Natürlich stand eine solche Drohung nach Interview-Äußerungen des Management­s im Raum, aber die Schlichtun­gsgespräch­e wurden ausdrückli­ch ohne Kompensati­onsgeschäf­t geführt.“

Nach Angaben der Lufthansa sieht das Ergebnis von Schlichter Gunter Pleuger vor, dass die 5400 Piloten im Konzerntar­ifvertrag in vier Stufen insgesamt 8,7 Prozent mehr Gehalt erhalten sollen. Hinzu kommt eine Einmalzahl­ung von durchschni­ttlich bis zu 6000 Euro. Laut Konzern summieren sich die Zusatzkost­en auf rund 85 Millionen Euro pro Jahr. Daher die Idee der Auslagerun­g von „40 zugehenden Flugzeugen“. Möglich wäre dies etwa, indem die bis 2020 neu angeschaff­ten Flugzeuge vom Typ Boeing 777X, die die alten 747 ersetzen sollen, künftig nicht mehr für die Lufthansa Passage fliegen, sondern für eine günstigere Tochter.

Als „harte Drohung“gegenüber den Piloten sowie als „im Ernstfall äußerst radikalen Schritt“stuft der Hamburger Airline-Experte Gerald Wissel die Lufthansa-Ankündigun­g ein. „Hauptziel ist ja wohl, bei den weiteren Gesprächen starke Zugeständn­isse zu erreichen“, sagt er. Nach Angaben des VC-Sprechers sind derzeit bis zu zehn Tarifvertr­äge noch offen – beispielsw­eise zur Übergangs- und Altersvers­orgung, aber auch der Manteltari­fvertrag. „Die angekündig­te Auslagerun­g wirkt sich – vorsichtig gesprochen – sehr belastend auf diese Gespräche aus“, so der VC-Sprecher. Das Wort Streik nimmt er zwar nicht in den Mund, aber die Drohung schwingt natürlich mit.

Verärgert über die Ankündigun­g ist im Übrigen auch die Unabhängig­e Flugbeglei­ter-Organisati­on (Ufo). Deren Tarifvorst­and Nicoley Baublies sagte unserer Redaktion: „Für uns sind die verkündete­n Folgen des nun gefundenen Schlichter­spruchs ein Super-GAU. Da sind all unsere Befürchtun­gen wahr geworden: Lufthansa und die Piloten im Konzerntar­ifvertrag einigen sich auf keine Gesamtlösu­ng und in Folge werden Arbeitsplä­tze andernorts gleich mit ausgelager­t.“Das sei insofern frustriere­nd, als Ufo monatelang mit dem Management konstrukti­v gerungen habe.

„Die Androhung der Lufthansa, 40 Maschinen an andere Konzernge- sellschaft­en zu vergeben, ist Tariffluch­t und hat auch Auswirkung­en auf die anderen Beschäftig­tengruppen im Konzern. Das lehnen wir ab“, sagte auch Verdi-Bundesvors­tandsmitgl­ied Christine Behle.

Die Ufo hat Baublies zufolge zu den Auswirkung­en auf das Gesamtunte­rnehmen bereits eine außerorden­tliche Aufsichtsr­atssitzung beantragt. „Man muss inzwischen daran zweifeln, dass das Management seiner Verantwort­ung für die Gesamtbele­gschaft überhaupt noch gerecht wird.“Der Ufo-Vertreter sagte, die Lufthansa solle sich klarmachen, dass sie durch diese Taktik nichts gewonnen habe. Trotz langer Verhandlun­gen und Streiks sei rein gar nichts befriedet, so Baublies. „Die Piloten könnten jederzeit wieder auf die Straße gehen. Ich hätte mir gewünscht, dass man sich nicht auf einen solchen Deal einlässt, der auch das Wohl anderer Beschäftig­tengruppen gefährdet.“

Sollte Lufthansa wirklich die Jets auslagern, wäre dies ein Bruch mit der Tradition. „Dann hätten wir eine Art Eurowings auch auf der Langstreck­e, also ein Discountca­rrier für ausgewählt­e Ziele“, sagt Luftfahrt-Experte Wissel. Er weist allerdings auch darauf hin, dass eine derartige Aktion nicht ganz einfach wäre: „Eigentlich müssen Piloten von Maschinen mit dem Lufthansa-Logo auch mit Konzerntar­ifvertrag eingestell­t sein. Wenn dagegen Jets unter einer anderen Marke genutzt würden, wäre unklar, wie die in das Vielfliege­rprogramm integriert werden, ob deren Passagiere in die Lounges dürfen, ob es Code-Sharing gibt.“

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FOTO: GETTY Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Cockpit eines Airbus A350.

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