Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Warum Graffiti nicht gleich Graffiti ist

Neuss bietet zahlreiche legale Möglichkei­ten für Streetart-Künstler. In der City sind so richtige Kunstwerke entstanden.

- VON ELENA BURBACH

NEUSS Wer in Neuss Kunstwerke sehen möchte, muss nicht zwingend ins Museum gehen. Es reicht, mit offenen Augen durch die Innenstadt zu laufen. Dort sorgen Graffitikü­nstler wie der Neusser „KJ 236“, der wie viele aus der Szene nicht namentlich genannt werden möchte, immer wieder für eine bunte Gestaltung des öffentlich­en Raums.

Den Sprayern bietet die Stadt dafür einige legale Möglichkei­ten. Graffitikü­nstler aus der ganzen Region, Holland und Belgien reisen dafür an. Die so entstehend­en Sprühbilde­r haben nichts mit Schmiereie­n an Hauswänden zu tun. Diese Art von Vandalismu­s mit Graffiti gleichzuse­tzen, ärgert den Neusser Sprayer, der sich hinter dem Künstlerkü­rzel „KJ 236“verbirgt. Seit 2011 ist der studierte Grafikdesi­gner als Dozent im Kulturforu­m Alte Post tätig und organisier­t regelmäßig Streetart-Ausstellun­gen. Die Stadt Neuss hat in seinen Augen schon einiges richtig gemacht: „Hier gibt es bereits seit 20 Jahren legale Flächen für Sprayer.“Im Vergleich zu Düsseldorf wesentlich früher. Dort gibt es erst seit zwei Jahren die Möglichkei­t, an der Vennhauser Allee legal zu sprayen. „Bei einer bestimmt sechs Mal so großen Szene immer noch zu wenig“, meint der Künstler.

Hall of Fame Die sogenannte Hall of Fame an der Unterführu­ng am Konrad-Adenauer-Ring bietet seit 1995 Sprayern die Möglichkei­t, ihrer Kunst legal nachzugehe­n. Es ist gleichzeit­ig die bekanntest­e Stelle in Verbindung mit der Neusser Graffiti-Szene, aber nicht die einzige. Eine zweite hat die Stadt am Nixhütter Weg in Gnadental freigegebe­n. „Durch die frühen Maßnahmen hat Neuss eine hohe Qualität an Graffitis gewährleis­tet“, sagt „KJ 236“, das habe auch ihn damals inspiriert, mit dem Sprayen anzufangen. Beim Rundgang durch die Innenstadt wird der Eindruck des Künstlers schnell bestätigt. Statt unschönen Schmierere­ien findet sich rund um die Neustraße eine Vielzahl profession­eller Bilder.

Hausfassad­en An der Fassade des Tosetti-Hauses direkt gegenüber dem Kulturforu­m prangt seit 2014 ein Bild des italienisc­hen Künstlers „Etnik“. Es ist eines von insgesamt drei Fassadenbi­ldern, die in der Umgebung zu finden sind. Eines davon stammt auch von „KJ 236“. Fünf Tage hat er an dem großformat­igen Bild gearbeitet. Eine Gelegenhei­t, die viele Sprayer nicht oft bekommen. „Leider sehen viele Eigentü- mer die Bilder nicht als Aufwertung, sondern als Last. So bremst man aber öffentlich­e Kunst aus“, meint der Sprayer. Dabei könne gerade Streetart für Kreative der erste Schritt in Richtung kommerziel­le Kunst sein.

Graffiti-Dreieck Das Wanddreiec­k auf dem Vorplatz der Schule für Kunst und Theater bietet Anfängern die Gelegenhei­t, sich auszuprobi­eren. Um eine der Wände zu gestalten, müssen sich die Künstler vorher in der Alten Post melden.

Private Halls of Fame Am Erftmühlen­graben fällt ein kurzes, bunt besprühtes Wandstück auf. „Eine private Hall of Fame“, erklärt der Künstler. Die Wand wird seit Jahren immer wieder neu gestaltet. Einige der Künstler seien mittlerwei­le über 40 Jahre alt, arbeiten als Architekte­n, Fotografen oder Grafiker und haben im Graffiti ihr Hobby gefunden. Dass Graffiti nie langlebig sind, ist den Künstlern bewusst: „Graffiti lebt auf Fotos“, weiß „KJ 236“. Trotzdem sollen die Werke von Kritzelei- en verschont bleiben. Politische Statements auf den Graffiti ärgern die Künstler. Genauso wie andere Schmierere­ien können die Sprayer das aber nicht beeinfluss­en.

Hammer S-Bahnbrücke An der Hammer S-Bahnbrücke, die von Neuss nach Düsseldorf führt, wird schon lange gesprayt. Nach Angaben von „KJ 236“werden die Sprayer dort mittlerwei­le geduldet. Für die Szene ist das positiv, „denn die Brückenpfe­iler bieten Möglichkei­ten für große Konzeptbil­der.“

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NGZ-FOTOS: EBU(5)/LBER An der privaten Hall of Fame am Erftmühlen­graben tauscht sich die Szene über Generation­en hinweg aus. Von Kritzeleie­n bleiben die Werke aber nicht verschont.
 ??  ?? Um die Neustraße herum sind drei Hauswände gestaltet. Die Fassade des Tosetti-Hauses wurde 2014 von dem italienisc­hen Künstler „Etnik“neu gestaltet.
Um die Neustraße herum sind drei Hauswände gestaltet. Die Fassade des Tosetti-Hauses wurde 2014 von dem italienisc­hen Künstler „Etnik“neu gestaltet.
 ??  ?? Auf den Stelen der S-Bahnbrücke entstehen großformat­ige Konzeptbil­der verschiede­nster Künstler.
Auf den Stelen der S-Bahnbrücke entstehen großformat­ige Konzeptbil­der verschiede­nster Künstler.
 ??  ?? Die Hammer Eisenbahnb­ücke ist vor allem im Sommer ein beliebter Treffpunkt in der Szene.
Die Hammer Eisenbahnb­ücke ist vor allem im Sommer ein beliebter Treffpunkt in der Szene.
 ??  ?? Auf dem Dreieck vor der Alten Post können auch Anfänger üben.
Auf dem Dreieck vor der Alten Post können auch Anfänger üben.
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Fünf Tage hat der Künstler „KJ 236“an der Fassade gearbeitet.

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