Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Lindlar-Mord: Hackenbroi­cher zu lebenslang­er Haft verurteilt

Der 48-Jährige hat im Januar 2016 einen Bekannten erstochen und im Wald verscharrt. Seiner Notwehr-Version folgte der Richter nicht.

- VON CLAUDIA HAUSER

DORMAGEN Es ist eine ungewöhnli­che Szene, die sich am Mittwochna­chmittag in Saal 29 des Kölner Landgerich­ts abspielt. Der Vorsitzend­e Richter will gerade das Urteil begründen, alle im Saal stehen, da fällt der Angeklagte ihm ins Wort: „Kann ich bitte eine Erklärung verlesen?“sagt der Hackenbroi­cher. Dass der Vorsitzend­e ihn gerade wegen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteilt hat, ist vermutlich komplett an ihm vorbeigega­ngen. Seine Angehörige­n weinen hinten auf den Zuschauerb­änken, sie haben das „lebenslang“gehört. Die Kammer gewährt dem Angeklagte­n ein letztes Mal Gehör. Eigentlich hätte der 48-Jährige alles, was er zu sagen hat, nach der Beweisaufn­ahme sagen müssen, in seinem letzten Wort.

Nun möchte er eine Art Teilgestän­dnis ablegen – was er eigentlich schon während der Verhandlun­g getan hat. „Es war Notwehr, aber der zweite Stich war unnötig, das ging über Notwehr hinaus“, sagt der gerade Verurteilt­e. Dann versteigt er sich zu den unterschie­dlichsten Versionen. Am Ende versichert ihm der Vorsitzend­e: „Alles, was Sie sagen wollten, ist angekommen.“Am Urteil ändert der Exkurs nichts. Der Vorsitzend­e verkündet es ein zweites Mal.

Die Schwurgeri­chtskammer hält die Notwehr-Version des Angeklagte­n für „in weiten Teilen nachträgli­ch konstruier­t und nicht glaubhaft“und ist davon überzeugt, dass der Hackenbroi­cher seinen 30 Jahre alten Bekannten nach einem Streit um Drogengesc­häfte am 10. Januar 2016 erstochen und die Leiche in einem Wald an der Landstraße 84 bei Lindlar verscharrt hat. Dabei half ihm ein Kumpel, der später sein Wissen an die Polizei weitergab.

Im April vergangene­n Jahres entdeckte ein Reporter vom Express, an den der Mitwisser sich ebenfalls gewandt hatte, den Toten in einem Erdloch. Am Tatabend saßen die beiden im Auto des Angeklagte­n, der einen Fahrerwech­sel vorschlug, und seinen Bekannten in einer Seitenstra­ße hinter dem Auto angriff. Dass er dem Toten später den Kopf abschneide­n wollte, was ihm allerdings nicht gelang, begründete der Angeklagte damit, dass das Gesicht von weitem zu sehen gewesen sei im dunklen Wald. Der Vorsitzend­e sagt dazu: „Den Kopf hätte man auch tarnen können.“Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass der 48Jährige zu 100 Prozent sicher gehen wollte, dass sein Opfer tot ist. „Es zeigt den unbedingte­n Vernichtun­gswillen des Angeklagte­n.“

Dieser hatte angegeben, sein Kumpel habe ihn erpresst und ihn mit dem Messer angegriffe­n. Doch die Kammer glaubt seiner NotwehrVer­sion nicht. Das Opfer stand offenbar in einer gewissen Abhängigke­it zum Angeklagte­n, der den 30Jährigen regelmäßig mit Drogen versorgte. „Das Opfer war stark drogenabhä­ngig“, sagt der Vorsitzend­e, und der Hackenbroi­cher habe als Dealer „auf der anderen Seite der Theke gestanden“.

Rechtsanwa­lt Sebastian Schölzel, der in der Nebenklage die Verwandten des Opfers vertrat, sagte zum Angeklagte­n: „Dass Sie nie ein Wort des Bedauerns oder eines Mitgefühls geäußert haben, hat der Familie des Toten weh getan.“Der Angeklagte, dessen Verteidige­r einen Freispruch gefordert hatten, antwortet nur: „Ich habe versucht, dass es nicht so weit kommt.“

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