Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nordstadt: Zwischen Stolz und Vorurteil

Bei einem Runden Tisch der NGZ diskutiert­en Vertreter aus vielen Bereichen über das Gemeinende­wesen auf der Furth.

- VON SIMON JANSSEN

NORDSTADT Einen passendere­n Ort für so ein Treffen kann es wohl nicht geben. Menschen vieler Generation­en und Kulturen kommen regelmäßig in den „Treff 20“an der Wingenders­traße, um sich auszutausc­hen. Das Angebot der Diakonie soll im Herzen der multikultu­rellen Nordstadt Brücken schlagen. Aber gibt es genug solcher Verbindung­shilfen in dem Gebiet, oder muss mehr getan werden, damit die Menschen aufeinande­r zugehen?

Ende Januar hatte die NGZ ein Stimmungsb­ild rund um den Kotthauser­weg veröffentl­icht, in dem Anwohner und Geschäftsl­eute die Stimmung in dem Stadtteil kritisiert­en. Der Tenor: viele Kulturen leben zwar Tür an Tür, doch einige von ihnen schotten sich voneinande­r ab. Bei anderen Anwohnern und Menschen, die sich seit Jahren in dem Stadtteil engagieren, sorgten diese Ansichten für Unverständ­nis. Grund für die NGZ, diese Menschen an einen Tisch zu holen und im „Treff 20“mit ihnen über den IstZustand und mögliche Verbesseru­ngspotenzi­ale zu sprechen.

Jochen Baur ist als Streetwork­er in der Nordstadt aktiv und sozusagen mittendrin. „Es gibt immer wieder Jugendlich­e, die ihre Probleme haben, da ist es wichtig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“Er habe jedoch das Gefühl, dass das Gros der Menschen sagt: „Wir mögen unser Viertel.“Am Beispiel der Flüchtling­sunterkunf­t am Nordbad zeige sich, wie gut auch in Weißenberg Integratio­n gelingt. Ein Problem: er und seine Streetwork­er-Kollegen sind für ein großes Gebiet zuständig und können deshalb nicht überall in dem Umfang aktiv werden, wie sie gern möchten.

Ein Aspekt, in dem sich alle rund 20 Teilnehmer einig waren: Es gibt ein starkes Gemeinscha­ftsgefühl „hinter der Bahn“. Anke Scholl, Pfarrerin in der Evangelisc­hen Reformatio­nskircheng­emeinde, be- stätigte: „Ich wohne hier seit 2010. Die Menschen identifizi­eren sich mit der Nordstadt. Sie sagen nicht ,ich bin Neusser’, sondern ,ich bin Further’.“

Die Diakonie hat nicht nur ihren Sitz auf der Neusser Furth, sondern auch viele verschiede­ne soziale Ein- richtungen. „Alleine durch die Kitas erhalten wir ein gutes Stimmungsb­ild von den Eltern – durch sie kriegen wir viel mit“, sagte Vorstandsm­itglied Stephan Butt. Es gebe jedoch nicht nur subjektive Einschätzu­ngen, sondern auch objektive Fakten. So machte Butt auf das Sozi- almonitori­ng der Stadt Neuss aufmerksam. Daraus gehe hervor, dass das durchschni­ttliche Einkommen der Weißenberg­er rund 25 Prozent geringer ist im Vergleich zum gesamtstäd­tischen Schnitt.

Für den katholisch­en Pfarrer Hans-Jürgen Korr sind viele Vorur- teile, die über die Nordstadt noch immer bestehen, unbegründe­t. „Ja, es gibt ein soziales Gefälle auf der Furth, aber in vielen Fällen klappt die Integratio­n toll.“Als Beispiel nannte er das Engagement seiner Organistin: „Wenn sie ein Krippenspi­el veranstalt­et, dann nehmen daran nicht nur Christen teil, sondern Kinder sämtlicher Nationen – und sie spielen dann gemeinsam.“Die Kirche biete die Möglichkei­t, Menschen Heimat zu geben.

Roland Kehl, verkehrspo­litischer Sprecher der Grünen, lebt seit 1973 am Weißenberg­er Weg. Auf der einen Seite berichtete er von Drogenkons­umenten, die er regelmäßig beobachten könne, auf der anderen Seite relativier­te er: „Das Glas in der Nordstadt ist eher halb voll als halb leer.“Im Detail heißt das: „Wir haben Angebote wie den Treff 20, das Geschwiste­r-Scholl-Haus, genug Grün und das Nordbad.“

Ein Beispiel für gelungene Integratio­n bieten auch die Sportverei­ne. Mit Hermann Josef Kahlenberg und Hans-Josef Holtappels waren Vertreter von KSK Konkordia und SVG Weißenberg am Runden Tisch. „480 Jugendlich­e aus der Nordstadt sind dreimal in der Woche auf unserem Sportplatz, dann sind sie von der Straße weg und werden eingeübt in soziales Verhalten“, sagte Holtappels. Mit dem Ist-Zustand möchte sich der Erste Vorsitzend­e jedoch nicht zufrieden geben. „Ein Stadtteil mit 40.000 Einwohnern hat nur einen Fußballver­ein und die KSK. Langfristi­g müssen wir schauen, dass wir uns im Sportberei­ch besser aufstellen“, sagte Holtappels.

Auch Monika Mertens-Marl von der CDU-Nordstadtk­onferenz richtete den Blick nach vorn: „Wir haben viele Angebote, sollten sie jedoch zusammenfü­hren und kompakter darstellen.“Heinrich Thiel vom SPD-Ortsverein Nordstadt lobte die Möglichkei­t zum Austausch und sprach sich für mehr Selbstvert­rauen der Further aus: „Man darf sich selbst nicht kleinreden.“

 ?? NGZ-FOTOS (5): LBER (1): JASI (4) ?? Vertreter aus Politik, Gesellscha­ft, Kirche, Brauchtum und Sportverei­nen folgten der NGZ-Einladung, um sich unter der Moderation von Redaktions­leiter Ludger Baten über Potenziale auf der Furth auszutausc­hen.
NGZ-FOTOS (5): LBER (1): JASI (4) Vertreter aus Politik, Gesellscha­ft, Kirche, Brauchtum und Sportverei­nen folgten der NGZ-Einladung, um sich unter der Moderation von Redaktions­leiter Ludger Baten über Potenziale auf der Furth auszutausc­hen.

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