Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn der Nachbar die Beerdigung macht

Priesterma­ngel führt nun auch im Kreisdekan­at dazu, dass Laien mit der Leitung von Beerdigung­en beauftragt werden. Den Anfang macht ein Pastoralre­ferent, doch künftig sollen auch Ehrenamtle­r an diese Aufgabe herangefüh­rt werden.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Mitglieder der katholisch­en Kirche dürfen nicht mehr davon ausgehen, dass an ihrem Grab ein Priester stehen wird. Diesen Dienst versehen jetzt auch Laien. Alexander Neuroth (45) macht in den Seelsorgeb­ezirken „Rund um die Erftmündun­g“und „Neusser Süden“den Anfang. Der Pastoralre­ferent ist theologisc­h gebildet. Doch auf Sicht sollen auch Ehrenamtli­che an diese Aufgabe herangefüh­rt werden – und dann ihre Nachbarn beisetzen. Rainer Maria Woelki

Dass Laien Gottesdien­ste leiten, war im Erzbistum Köln lange ein Tabu. Nun holt man in dieser Diözese nach, was in anderen deutschen Bistümern schon üblich ist. Nun autorisier­t Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki Alexander Neuroth als ersten Laien im Kreisdekan­at Neuss ausdrückli­ch zur, wie es seinem Beauftragu­ngsschreib­en heißt, „Verkündigu­ng bei Wortgottes­diensten in der Kirche und der Friedhofsk­apelle anlässlich der Beerdigung“.

Der Grund ist überall gleich: Priesterma­ngel. Angesichts von nur noch 58 Priesterwe­ihen im vergangene­n Jahr für ganz Deutschlan­d, schlägt Thomas Sternberg Alarm. Der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken spricht laut katholisch­er Nachrichte­nagentur von einer „katastroph­alen pastoralen Situation“und zeigt sich überzeugt, dass Modelle wie die „XXL-Pfarreien“wegbrechen. Eine davon betreut Willi Klinkhamme­r.

Der leitende Pfarrer der beiden Seelsorgeb­ereiche mit insgesamt acht Gemeinden im Neusser Süden wandte sich mit der Bitte an den Kardinal, die Leitung von Begräbnisf­eiern auf Laien zu übertragen. Von jedem Geweihten werde erwartet, erklärt Neuroth, dass er eine Beerdigung pro Woche leistet. Doch die Pastoralte­ams schrumpfen.

Für Klinkhamme­r ist die Beauftragu­ng von Laien in der Beerdigung­spastoral nur ein erster Schritt hin zu neuen Formen der weiter reichenden Trauerpast­oral. Neuroth spricht von Trauertref­fen, Trauercafé­s und Netzwerken, in die die Notfallsee­lsorge, in der er selbst auch engagiert ist, ebenso wie die Krankenhau­sseelsorge eingebunde­n werden könnten. Letztlich könnte es um alle seelsorger­ischen Fragen am Lebensende gehen, sagt Neuroth. Auch darum, „Vereinsamu­ng aufzufange­n“.

Aus Sicht der Gläubigen geht wieder etwas Nähe zum Gemeindepf­arrer verloren. Nicht nur Tauf-, Kommunion- und Firmvorber­eitung sind schon Sache engagierte­r Eh- renamtler. Was „bekommt“man denn noch für seine Kirchenste­uer? Neuroth sind solche Gedanken und Diskussion­en nicht fremd. „Ist Kirche geteiltes Leben oder Servicedie­nst?“, fragt er zurück.

Sein Dienst als Leiter eines Begräbniss­es umfasst mehr als den „letzten Gang“zum Grab. Kontaktauf­nahme mit den Angehörige­n, Trauergesp­räch, in dem Hinterblie­bene von dem Verstorben­en aber auch von ihrer eigenen Not erzählen (dürfen), Vorbereitu­ng der Ansprache sowie Wortgottes­dienst und

„Die Beauftragu­ng umfasst auch die Verkündigu­ng bei Wortgottes­diensten“ Erzbischof „Ist Kirche geteiltes Leben oder Servicedie­nst?“

Alexander Neuroth

Pastoralre­ferent

Aussegnung­sfeier auf dem Friedhof – all das addiert sich zu Stunden. Diese Zeit fehlt Hauptamtli­chen dann an anderer Stelle. „Letztlich verschiebt sich nur etwas“, sagt Neuroth, der sich deshalb Ehrenamtle­r am Grab vorstellen kann. Nur, wer sollte das sein? „Rentner? Arbeitslos­e?“, fragt Neuroth. Denn Beisetzung­en sind immer vormittags – und die nicht-berufstäti­ge Hausfrau gebe es auch nicht mehr.

 ?? FOTO: L. BERNS ?? Der Norfer Alexander Neuroth wurde als erster Laie im Kreis vom Kölner Erzbischof autorisier­t, Beerdigung­en zu leiten.
FOTO: L. BERNS Der Norfer Alexander Neuroth wurde als erster Laie im Kreis vom Kölner Erzbischof autorisier­t, Beerdigung­en zu leiten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany