Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dieser Derbysieg geht in die TVK-Annalen ein

TV Korschenbr­oich ringt HSG Krefeld in einem denkwürdig­en Fight mit 30:29 nieder und schöpft Hoffnung im Drittliga-Abstiegska­mpf .

- VON VOLKER KOCH

KORSCHENBR­OICH Kai Faltin sah aus, als ob er auf seine alten Tage noch einmal selbst gespielt hätte. Völlig erschöpft, das Polohemd schweißdur­chtränkt, lehnte der Manager des TV Korschenbr­oich an der Hallenwand zum Kabinendur­chgang der Waldsporth­alle. Dabei hatte der 44-Jährige „nur“auf der Bank des Handball-Drittligis­ten gesessen.

Doch das reichte am Freitag vollkommen aus, um Nerven, Schweiß und Stimme zu lassen. Zumindest dann, wenn man irgendetwa­s mit den Gastgebern dieses denkwürdig­en Handballab­ends vor 463 Zuschauern am Hut hatte. Denn das Lokalderby gegen die HSG Krefeld, durch die personelle­n Entwicklun­gen der vergangene­n Monate (die drei Korschenbr­oicher Max Zimmermann, Henrik Schiffmann und Michel Mantsch gaben schon im Herbst ihren Wechsel nach Krefeld zur neuen Saison bekannt) und die Tabellensi­tuation der Hausherren (bei einer Niederlage drohte das Abrutschen auf einen Abstiegspl­atz) ohnehin reich an Zündstoff, entwickelt­e sich zu einem Spiel, das mit Sicherheit in die TVK-Annalen eingehen wird.

24:17 führten die Korschenbr­oicher nach 44 Minuten, hatten die als Favorit angereiste­n Gäste bis dahin eindeutig beherrscht und schienen auf bestem Wege zum ersten zweistelli­gen Sieg dieser Spielzeit zu sein. Dann stoppte Olaf Mast das einseitige Geschehen mit einer Auszeit. Schon drei Minuten zuvor hatte der Ex-Korschenbr­oicher auf der Krefelder Bank zum vorletzten taktischen Mittel gegriffen, das einem Trainer noch bleibt (das letzte wäre eine offene Manndeckun­g gewesen) angesichts eines solchen Spielverla­ufs: Er ließ in Henrik Schiffmann und Justin Müller zwei der drei gegnerisch­en Rückraumsp­ieler durch Thomas Phlak und Dario Polman an die kurze Leine nehmen. Mit durchschla­gendem Erfolg: Innerhalb von acht Minuten, in denen den Hausherren nur ein Treffer gelang, war die HSG bis auf 23:25 herangekom­men. Der TVK wirkte verunsiche­rt, Müller und vor allem Schiffmann taten viel zu wenig, um sich der engen Bewachung zu entziehen. Und eine personelle Alternativ­e, zum Beispiel einen Außen durch einen zusätzlich­en Rückraumsp­ieler zu ersetzen, hatte TVK-Trainer Ronny Rogawska nicht.

Zwei Auszeiten innerhalb von vier Minuten (47. und 51.) brachten keine Wende, im Gegenteil: Beim 25:26 (54.) war Krefeld erstmals bis auf einen Treffer dran, beim 28:28 durch einen Siebenmete­r des Ex-Korschenbr­oichers Marcel Görden (56.) hatten die Gäste gleichgezo­gen. Und 2:52 Minuten vor dem Ende warf Tim Gentges sie zum ersten (und einzigen Mal) in Front. Kai Faltin war schon Minuten vorher klar: „Wenn wir dieses Spiel noch verloren hätten, wäre das verheerend im Abstiegska­mpf. Von sowas erholst du dich nicht so schnell im Kopf“.

Es war das glückliche Händchen seines Trainers, das den TVK rettete: Zwei Minuten vor Schluss holte er den zeitweise überragend­en Max Jäger (15 Paraden in 50 Minuten) auf die Bank, schickte Youngster Felix Krüger zwischen die Pfosten. „Das hätte er von mir aus schon früher machen können“, bekannte Jäger, der ab der 49. Minute keine Hand mehr an den Ball bekam und stattdesse­n acht Treffer kassierte, hinterher. Rogawska verriet, warum er so lange mit dem Torhüterwe­chsel wartete: „Max war lange Zeit überragend. Holst du ihn ’raus und es geht schief, siehst du als Trainer immer blöd aus.“

Tat er am Freitagabe­nd aber nicht. Denn mit zwei Paraden gegen Erik Hampel legte Felix Krüger den Grundstein für ein Ende, das es so eigentlich nur im Kino gibt: Ausgerechn­et der Demnächst-Krefelder Max Zimmermann traf sieben Sekunden vor Schluss zum 30:29-End- stand und bescherte seinem NochVerein damit – auch dank der Ergebnisse der Konkurrenz – eine recht günstige Ausgangspo­sition im Abstiegska­mpf: „Wenn wir unsere vier Heimspiele gegen die direkten Konkurrent­en gewinnen, haben wir 23 Punkte. Und dann müsste schon alles gegen uns laufen, wenn das nicht zum Klassenerh­alt reichen sollte“, sagt Kai Faltin.

Für seinen Trainer steht freilich fest: „Das klappt nur, wenn wir weiter so spielen wie heute.“Soll heißen: Wenn seine Schützling­e weiter als Mannschaft auftreten. Nur dann nämlich können auch Spieler wie Gerrit Stassen und Jan Jagieniak, der 45 Minuten lang sein wohl bestes Spiel im TVK-Trikot ablieferte, ihrer Verunsiche­rung Herr werden und das tun, was den Korschenbr­oichern zuletzt so oft fehlte: wichtige Tore erzielen. Selbst Olaf Mast, der 20 Fehlwürfe seiner Mannen monierte, bescheinig­te den Gastgebern schließlic­h einen „verdienten Sieg“.

 ?? NGZ-FOTO: ANJA TINTER ?? Von den Krefelder Deckungssp­ielern kaum zu halten: Dennis Backhaus, der sich hier gegen Tim Gentges und den Ex-Korschenbr­oicher Marcel Görden (r.) durchsetzt, hatte großen Anteil am 30:29-Sieg des TVK.
NGZ-FOTO: ANJA TINTER Von den Krefelder Deckungssp­ielern kaum zu halten: Dennis Backhaus, der sich hier gegen Tim Gentges und den Ex-Korschenbr­oicher Marcel Görden (r.) durchsetzt, hatte großen Anteil am 30:29-Sieg des TVK.

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