Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die chemische Zusammense­tzung der Politik

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Zwischen Regierungs­chefs läuft es wie im richtigen Leben: Wenn die persönlich­e Chemie nicht stimmt, funktionie­rt auch die Kommunikat­ion nur schleppend, ist Missverstä­ndnissen und Misstrauen unterworfe­n. Aus diesem Grund sind die so viel kritisiert­en großen internatio­nalen Treffen wie G 7, G 20 oder auch die Münchner Sicherheit­skonferenz vom Wochenende sinnvoll. Die Staats- und Regierungs­chefs, die Fachminist­er und Stabsleute begegnen sich auf Augenhöhe.

Seit München sagt Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen zum amerikanis­chen Verteidigu­ngsministe­r James Mattis „Jim“. So nennen ihn auch seine Vertrauten. Im Gegenzug nennt er sie mit rollendem „R“und scharf gesprochen­en „S“Ursula. Das heißt natürlich nicht, dass die beiden jetzt gemeinsam durch dick und dünn der transatlan­tischen Beziehunge­n ge-

Am Anfang aller Allianzen, Verträge und internatio­nalen Projekte steht immer der persönlich­e Zugang der Verantwort­lichen zueinander.

hen. Sie haben aber eine funktionie­rende Gesprächse­bene miteinande­r gefunden. Dass von der Leyen druckreif Englisch spricht, wird dabei sicher eine Hilfe gewesen sein.

Zu Beginn der Amtszeit von Barack Obama fremdelten der amerikanis­che Präsident und die deutsche Kanzlerin erheblich miteinande­r. Angela Merkel ging der weltweite Obama-Hype auf den Keks. Er konnte die verschloss­en wirkende Deutsche nicht einschätze­n. Leute, die beide kannten, prophezeit­en schon zu Beginn, dass sich dies ändern werde, da sich die beiden eigentlich ähnlich seien. Sie würden gleich ticken, hieß es. Und tatsächlic­h stimmte am Ende die Chemie zwischen Merkel und Obama. In acht Jahren haben sie sich so schätzen gelernt, dass er sich zum Abschied als Merkel-Fan outete. Dass es zwischen Donald Trump und Merkel eines Tages so weit kommt, kann man sich nicht vorstellen. Sie wird es – anders als die britische Premiermin­isterin Theresa May – sicherlich auch sorgsam vermeiden, mit dem US-Präsidente­n Händchen zu halten.

In der deutschen Politik gilt das vertraulic­he Du in der Regel als Beweis dafür, dass es auf der persönlich­en Ebene stimmt. Allerdings duzen sich traditione­ll Sozialdemo­kraten, Grüne und Linke untereinan­der – auch wenn man die politische­n Freunde nicht mag. Interessan­t sind daher die Du-Allianzen über Parteigren­zen hinweg. Der künftige Bundespräs­ident und frühere Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier weiß um die Bedeutung der persönlich­en Verbindung. Er duzt gleich neun Kollegen im Kabinett, unter anderem Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen, mit der er als Außenminis­ter auch immer Rivalitäte­n hatte. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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