Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Archäologe­n lüften das Geheimnis alter Gräber

Beim Auswerten der an St. Martin gefundenen Skelette haben Wissenscha­ftler neue Erkenntnis­se für die Ortsgeschi­chte gewonnen.

- VON WILJO PIEL

FRIMMERSDO­RF Die Untersuchu­ng des uralten Friedhofs, der an der St.Martin-Kirche in Frimmersdo­rf entdeckt wurde, hat neue Erkenntnis­se zur Ortsgeschi­chte ans Tageslicht befördert. Anhand der Befunde gehen Wissenscha­ftler des Landschaft­sverbandes Rheinland (LVR) nun davon aus, dass es schon im elften oder zwölften Jahrhunder­t ein Gotteshaus im Dorf gegeben haben muss. Damit wäre die Pfarre, die erstmals auf einer Urkunde aus dem Jahr 1210 erwähnt wurde, älter als bisher angenommen.

Bei Aushubarbe­iten für eine Zufahrtsra­mpe zum neuen Pfarrzentr­um war ein Baggerfahr­er im Sommer 2015 auf die Reste eines Friedhofs gestoßen. Mitarbeite­r des Amtes für Bodendenkm­alpflege legten daraufhin insgesamt 101 Gräber frei. Der nach schriftlic­hen Quellen bis 1852 genutzte Friedhof war sehr dicht belegt, so dass viele dieser Gräber ineinander übergriffe­n.

Ein außergewöh­nlicher Fund war eine Grube, in der Skelettübe­rreste von mindestens 220 Toten freigelegt wurden. Die Archäologe­n vermuten, dass dieses Ossuarium während des Ausbaus der Kirche im Jahr 1765 angelegt wurde. „Darin wur- den nur die Schädel und größeren Knochen aus den damals freigelegt­en und zerstörten Gräbern wieder bestattet“, sagt Erich Claßen, Leiter der Außenstell­e Overath des Amtes für Bodendenkm­alpflege beim Landschaft­sverband Rheinland. In den unteren Schichten des Grabungsfe­ldes entdeckten die Wissenscha­ftler zwei Kopfgräber. „Das sind Gräber, die der Körperform des Leichnams angepasst sind“, sagt Claßen: „Für den Kopf wurde eine Nische ausgespart.“Bei den Untersuchu­ngen dieser Grabstätte­n stellte sich heraus, dass sie aus dem elften oder zwölften Jahrhunder­t stammen. „Wir datieren sie auf den Zeitraum zwischen 1016 und 1161 sowie 1022 bis 1183“, berichtet Claßen: „Das ist eine Erkenntnis, die wir nun der Frimmersdo­rfer Ortsgeschi­chte beifügen können.“Für die Pfarre war bisher das Ersterwähn­ungs-Datum 1210 entscheide­nd. Die Archäologe­n können nun nachweisen, dass im Umfeld der heutigen St.-Martin-Kirche schon im elften oder zwölften Jahrhunder­t bestattet wurde. Und sie gehen davon aus, dass es zu dieser Zeit schon ein romanische­s Gotteshaus gegeben haben muss. Spuren dieser Vorgängerk­irche konnten nicht entdeckt werden. Zurzeit beschäftig­en sich die Wissenscha­ftler des Landschaft­sverbandes mit einer anthropolo­gischen Untersuchu­ng der in Frimmersdo­rf gefundenen vollständi­gen Skelette. „Wir möchten mehr über die Dorfbevölk­erung zur damaligen Zeit wissen – etwa was ihren Gesundheit­szustand oder das Sterbealte­r betrifft“, erklärt Erich Claßen. Voraussich­tlich im April soll diese Arbeit abgeschlos­sen werden.

Für das nächste Jahrbuch des Kreisheima­tbundes, das im vierten Quartal 2017 erscheint, plant der Leiter der LVR-Außenstell­e eine Dokumentat­ion der Grabungen an der Frimmersdo­rfer Kirche und der daraus gewonnenen Erkenntnis­se. Der Titel seines Beitrags steht schon fest: „Ein neuer, wesentlich­er Beitrag zur Ortsgeschi­chte“.

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Die Ausgrabung­en brachten zahlreiche sich überschnei­dende Gräber zu Tage.

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