Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Streit um Erdogan-Auftritt in NRW

Soll der geplante Wahlkampfa­uftritt des türkischen Präsidente­n Erdogan in Nordrhein-Westfalen verhindert werden? Bundes- und Landesregi­erung weisen sich gegenseiti­g die Verantwort­ung zu.

- VON EVA QUADBECK UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

BERLIN/DÜSSELDORF Zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund ist ein Streit über die Frage ausgebroch­en, ob und wie ein öffentlich­er Auftritt des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan verhindert werden soll. Erdogan will in NRW für die von ihm geforderte­n Verfassung­sreform werben, über die die Türken Mitte April bei einem Referendum abstimmen. Kritiker befürchten, dass Erdogan sein Land in eine Autokratie umbauen will. Am Samstag hatte schon Premiermin­ister Binali Yildirim in Oberhausen für die Reform geworben.

„Die Freiheit der Meinungsäu­ßerung hier darf nicht missbrauch­t werden, um für eine Verfassung­sänderung in der Türkei zu werben, mit der Grundrecht­e eingeschrä­nkt und die Todesstraf­e wieder eingeführt werden sollen“, sagte NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) unserer Redaktion. „Wir müssen verhindern, dass innertürki­sche Konflikte bei uns ausgetrage­n werden.“

Während man sich dafür in Düsseldorf aber nicht zuständig fühlt, sieht der Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, Günter Krings, die Verantwort­ung klar in NRW: „Es ist an Dreistigke­it schwer zu überbieten, wie der NRW-Innenminis­ter erneut von eigener Verantwort­ung ablenken will und mit dem Finger auf andere zeigt“, sagte Krings. Der CDU-Politiker nahm Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) in Schutz. „Bei der erwarteten Erdogan-Rede in NRW solle es nach Jägers Meinung nun offenbar der Außenmi- nister richten“, kritisiert­e Krings. Er vergesse dabei, dass seit Jahren nicht der Bund, sondern die Länder für das Versammlun­gsgesetz und seine Anwendung zuständig seien.

Nach Einschätzu­ng mehrerer Experten, auf die sich die Landesregi­erung stützt, ist das Versammlun­gsrecht jedoch das falsche Instrument, um einen Auftritt Erdogans zu verhindern. „Damit kann man seinen Besuch rechtlich gesehen eigentlich nicht unterbinde­n, schon gar nicht, wenn er in einem geschlosse­nen Raum wie einer Arena auftritt“, hieß es aus Regierungs­kreisen. Vielmehr sei die Bundesregi­erung gefragt. Sie müsse auf diplomatis­chem Weg versuchen, eine Lösung zu finden.

Bislang gibt es noch keinen konkreten Termin für einen besuch des türkischen Präsidente­n. „Ich rechne damit, dass Erdogan zwischen dem 27. März und dem 9. April nach Deutschlan­d kommt“, sagte der Vorsitzend­e der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, Gökay Sofuoglu. In dieser Zeit könnten die im Ausland lebenden Türken ihre Stimme zum Referendum der Verfassung­sänderung abgeben.

Die Debatte um einen möglichen Auftritt Erdogans nahm unterdesse­n an Schärfe zu. Er teile ausdrückli­ch die Sorge von Ralf Jäger über einen möglichen Auftritt Erdogans, sagte SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Erdogan sei willkommen, vorausgese­tzt, er halte sich an die Gepflogenh­eiten des „partnersch­aftlichen Umgangs in und mit einem demokratis­chen Rechtsstaa­t, ohne Wenn und Aber“. Man dürfe nicht zulassen, „dass Erdogan in Deutschlan­d für seine Allmachtsf­antasien werben darf“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Türkische Gemeinde wiederum blickt einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng mit Erdogan gelassen entgegen. „Ein Besuch Erdogans und ein öffentlich­er Auftritt in Deutschlan­d sollten nicht verboten werden“, sagte Sofuoglu. Deutschlan­d habe eine starke Demokratie, die Erdogan aushalten könne. Erdogan müsse aber akzeptiere­n, „dass er in Deutschlan­d kritisiert wird und dass seine Kritiker keine Heimatverr­äter oder Terroriste­nschützer sind“. Leitartike­l Politik

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