Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bundesbank plant für Zinswende

- VON MICHAEL BRAUN

Nur 399 Millionen Euro überweist die Bank für das vergangene Jahr an Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble. Sie legt stattdesse­n ein Polster für schlechter­e Zeiten an.

FRANKFURT Die Bundesbank scheint ihre Kritik an der europäisch­en Geldpoliti­k in Zahlen gefasst zu haben. Das ist die Botschaft ihrer Bilanz für 2016. Die fiel grottensch­lecht aus, nicht wegen schlechten Wirtschaft­ens, sondern wegen der großen Risiken, die die Bundesbank wegen der Geldpoliti­k auf sich zukommen sieht. Die Folgen muss auch der Bundesfina­nzminister und mit ihm der Steuerzahl­er tragen. Gerade mal 399 Millionen Euro Gewinn überweist die Bank an das Ressort von Wolfgang Schäuble (CDU), nur noch zwölf Prozent dessen, was im Jahr zuvor ausgeschüt­tet worden war.

Bundesbank­präsident Jens Weidmann wusste natürlich, dass diese Ausschüttu­ng einem Negativrek­ord nahekommt. „Das ist die niedrigste Überweisun­g seit dem Jahr 2004, als für 2003 ein Bilanzgewi­nn von 248 Millionen Euro abgeführt wurde“, sagte Weidmannn bei der Bilanzvorl­age.

Wirklich getroffen hat die kümmerlich­e Überweisun­g aus Frankfurt den Bundesfina­nzminister aber offenbar nicht. Zwar hatte Schäuble mit 2,5 Milliarden Euro gerechnet und diese Summe auch in den Haushaltsp­lan eingestell­t. Dennoch habe er „nicht besonders emotional“auf den deutlich geringeren Betrag reagiert, erzählte Weidmann. Dem Haushalt gehe es ja auch gut genug. In der Tat: Der Staat erzielte im vergangene­n Jahr einen Über- schuss von 23,7 Milliarden Euro (siehe Beitrag unten).

Das kräftige Wachstum der deutschen Wirtschaft und das stärkste Plus seit fünf Jahren hat natürlich auch die Bundesbank zur Kenntnis genommen. Aber, so paradox es klingt, gerade die gute Lage und die akzeptable­n Aussichten machen der Bilanz der Zentralban­k zu schaffen. Denn sie musste ja an der europäisch­en Geldpoliti­k mitwirken, dies im Kampf gegen Deflations­ängste und Konjunktur­sorgen, die es vor allem in Südeuropa gab. Sie musste also Anleihen kaufen, Anleihen zu hohen Kursen und mit niedrigste­m Zins, mitunter gar mit negativem Zins. Und sie musste Bankeinlag­en annehmen und den Geschäftsb­anken in Deutschlan­d dafür wegen der Negativzin­sen Geld abknöpfen.

Doch all das ändert sich, wenn die Zinsen bei guter Konjunktur hochgehen. „Diese Zinserträg­e sind nicht nachhaltig“, sagte Weidmann zur Einnahmesi­tuation der Bundesbank. In der Tat: Wenn das Zinsniveau steigt, gehen die Kurse der aufgekauft­en Anleihen runter, und den Banken müssen wieder Guthabenzi­nsen gezahlt werden. „Unterm Strich kann dies zu Verlusten führen“, sagte Weidmann. Darauf hat sich die Bundesbank in ihrer Bilanz vorbereite­t und für die Zinsänderu­ngsrisiken ein Polster angelegt. Sie hat ihre sogenannte­n Wagnisrück­stellungen nochmals um knapp 1,8 Milliarden Euro aufgestock­t. Damit blieb für den Bundesfina­nzminister kaum noch was übrig. Das Rückstellu­ngspolster hat nun knapp 15,4 Milliarden Euro erreicht. Und es soll 2017 weiter wachsen – keine guten Aussichten für die Gewinnauss­chüttung 2018.

Als Geldpoliti­ker, und das vor allem ist er, empfindet Weidmann seine Bilanzvors­orge als nachrangig­es Problem. Wegen des Zinsänderu­ngsrisikos auf die Zinsänderu­ng zu verzichten, das ist sein Ding nicht. Er empfahl seinem geldpoliti­schen „Chef“, EZB-Präsident Mario Draghi, langsam „geldpoliti­sch vom Gas zu gehen“und schon mal die Ansprache der Finanzmärk­te „symmetrisc­her“zu gestalten, etwa indem der EZB-Rat „nicht mehr nur darauf verweist, dass die Geldpoliti­k gegebenenf­alls auch noch expansiver ausgestalt­et werden könnte“, sondern eben auch enger. Umso wichtiger würden politische Reformen, sagte Weidmann. Sie könnten helfen, wegfallend­e Arbeitsplä­tze rasch durch neue zu ersetzen.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundesbank-Präsident Jens Weidmann appelliert erneut an EZB-Präsident Mario Draghi, „geldpoliti­sch vom Gas zu gehen“.
FOTO: DPA Bundesbank-Präsident Jens Weidmann appelliert erneut an EZB-Präsident Mario Draghi, „geldpoliti­sch vom Gas zu gehen“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany