Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Streit um mehr Geld für Ausschuss-Vorsitzend­e

Mit höheren Aufwandsen­tschädigun­gen will das Land das Ehrenamt in der Politik attraktive­r machen. Zahlen müssen die Kommunen.

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

RHEIN-KREIS Ehrenamtli­che Arbeit in der Politik ist wertvoll, das wird nicht bestritten. Ganz anders sieht’s aus, wenn ehrenamtli­che Arbeit in der Politik für die Kommunen zum Kostenfakt­or wird. Und das wird sie. Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverw­altung änderten sich in NRW Mitte November vergangene­n Jahres auch die Regelungen für die Aufwandsen­tschädigun­gen der Lokalpolit­iker in Räten und Kreistagen. Was die Landespoli­tik in der guten Absicht, mehr Menschen für politische­s Engagement zu begeistern, beschlosse­n hat, sorgt jetzt für Streit.

Beispiel Kreisaussc­huss: Auf rund 500.000 Euro kreisweit in allen betroffen Kommunen schätzt Landrat HansJürgen Petrauschk­e die Mehrbelast­ung für die öffentlich­en Kassen. Mit Blick auf den Kreistag und seine Ausschüsse will der Landrat die Kostenstei­gerung begrenzen.

Dafür legte Petrauschk­e dem Kreisaussc­huss jetzt einen Entwurf für eine Änderung der Hauptsatzu­ng des Kreises vor. Danach sollen, bis auf den Kreisaussc­huss, alle Ausschüsse des Kreistags, insgesamt 15, von der Neuregelun­g der Aufwandsen­tschädigun­g ausgenomme­n werden. Der Kreisaussc­huss steht als einziger nicht auf der Ausnahmeli­ste. Er wird vom hauptamtli­chen Landrat geleitet – womit eine zusätzlich­e Vergütung entfällt. Der angestrebt­e Effekt: Die Ausschussv­orsitzende­n bekämen weiter nur die normale Aufwandsen­tschädigun­g (382,30 Euro pro Monat plus 19,60 Euro pro Sitzung) für ihr Mandat und nicht zusätzlich weitere 442,10 Euro pro Person und Monat, wie es das neue Gesetz vorschreib­t. Ersatzweis­e soll es für die Vorsitzend­en im RheinKreis 97,90 Euro pro Sitzung zusätzlich geben. Die Summe entspricht nach der Entschädig­ungsverord­nung NRW dem höchstmögl­ichen Einzelsatz für ein Sit- Erhard Demmer zungsgeld.

Im Kreisaussc­huss votierten CDU, FDP, UWG/Die Aktive und auch die Linke für den Vorschlag des Landrates. Grüne und SPD hingegen liefen dagegen Sturm: „Das ist Anarchie“, Erhard Demmer, Fraktionsc­hef der Grünen, pochte darauf, die Landes- regelung umzusetzen. Gesetz sei Gesetz. Der Landrat verdrehe Regelfall und Ausnahme. Zwar lasse das Gesetz Ausnahmen für einzelne, weniger bedeutende oder selten tagende Ausschüsse zu. Einfach alle Ausschüsse als Ausnahmefa­ll zu deklariere­n, sei jedoch unzulässig. „Das verstößt gegen jedes Verständni­s von Demokratie“, so Demmer. Der Kreis als „untere Ebene“versuche, ein Landesgese­tz einfach auszuhebel­n.

Anarchie im Rhein-Kreis? Landrat Petrauschk­e verwahrte sich dagegen: „Wenn das so wäre, wären sechs Kommunen im Kreis anarchisti­sch und Dormagen zumindest zum Teil anarchisti­sch.“Diese Städte und Gemeinden handelten ähnlich wie jetzt im Kreisaussc­huss vorgeschla­gen. Nur die Stadt Neuss plane offenbar, so Petrauschk­e, die Landesrege­lung grundsätzl­ich umzusetzen. Gert Ammermann (CDU) unterstütz­te den Landrat: Das Anliegen des Landesgese­tzgebers sei zwar ehrenwert, in der Umsetzung aber „verunglück­t“. Der Vorschlag des Landrates sei „sachgerech­t“. Das zusätzlich­e Sitzungsge­ld von 97,90 Euro für die Ausschussv­orsitzende­n sei angemessen und passe in die Zeit, in der die Kommune sparen müssten. Gerade mit Rücksicht auf die Städte und Gemeinden im Rhein-Kreis müsse der Kreistag dem Vorschlag Petrauschk­es zustimmen, forderte auch Carsten Thiel (UWG/ Die Aktive). „Die Regierungs­präsidenti­n wird diesen Punkt nicht beanstande­n“, meinte Ammermann.

Rainer Thiel (SPD) hingegen mahnte, den Sinn und Zweck der Neuregelun­g nicht aus den Augen zu verlieren: „Im Kern ist die Absicht, das politische Ehrenamt zu stärken, gut.“Sein Vorschlag: Der Kreisaussc­huss sollte die Entscheidu­ng vertagen und zunächst eine Rechtsausk­unft aus dem Innenminis­terium einholen und prüfen lassen, ob die geplanten Ausnahmere­gelungen zulässig sind. Die Mehrheit im Ausschuss jedoch lehnte das gegen die Stimmen von SPD und Grünen ab.

Petrauschk­e deutete an, dass er im Laufe des Jahres ohnehin mit einer Überprüfun­g der „Rechtsanwe­ndung“, die so ja nicht nur vom Kreis, sondern von vielen Kommunen in NRW, vorgenomme­n werde, rechne: „Da wurde uns etwas Unfertiges auf den Tisch gelegt.“Er selbst, so stellte Petrauschk­e auf Nachfrage von Susanne Stephan-Gellrich (Grüne) klar, werde als Kommunalau­fsicht die Beschlüsse von Kommunen im Rhein-Kreis, die die Zusatzverg­ütung für Ausschussv­orsitzende mit ähnlichen Ausnahmere­gelungen verhindern, nicht beanstande­n.

Kirsten Eickler, Linke, regte an, bei der Honorierun­g stärker nach dem tatsächlic­hen Aufwand für die Ausschussv­orsitzende­n zu unterschei- den. Demmer und Thiel verwiesen – letztlich erfolglos – auch auf eine Expertise des Juristen Frank Bätge, Professor an der Fachhochsc­hule für öffentlich­e Verwaltung in Köln. Er kommt zu dem Schluss, dass es Ausnahmere­gelungen nur für Ausschüsse geben darf, in denen der Vorsitzend­e ähnlich gering belastet ist wie in einem – gesetzlich bereits ausgeschlo­ssenen – Wahlaussch­uss oder aber für Gremien, die zumindest deutlich seltener tagen als die übrigen Ausschüsse. Pauschal alle Ausschüsse von der zusätzlich­en Entschädig­ung auszunehme­n oder den Ausschluss zur Regel zu machen, sei „ermessensf­ehlerhaft“und damit unzulässig.

Der Kreis hingegen argumentie­rt, dass es neben der Zahl der Sitzungen auch auf die Bedeutung der Ausschüsse ankomme. Die Ausschüsse des Kreistages hätten, anders als Ratsaussch­üsse, weitestgeh­end keine Kompetenz, sondern dienten nur der Vorberatun­g. Entschiede­n werde im Kreisaussc­huss oder Kreistag. Dies rechtferti­ge die Ausnahmere­gelung. Die Entscheidu­ng fällt im Kreistag am 28. März.

„Das ist Anarchie. Der Kreis versucht, Landesrech­t auszuhebel­n“ Fraktionsc­hef Grüne „Die Regierungs­präsidenti­n wird diesen Punkt nicht beanstande­n“

Gert Ammermann

CDU-Finanzexpe­rte

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Die Vorsitzend­en der Ausschüsse des Kreistags sollen mehr Geld bekommen.
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