Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Polens Regierung fördert national-katholisch­e Filme

- VON JENS MATTERN

WARSCHAU Eine junge Frau und fünf Kinder in ländlicher Kleidung knien betend vor einem Heuhaufen. Ein Kosake mit bösem Blick betrachtet sie. Es ist die Schlüssels­zene des Films „Die herausgeri­ssene Ähre“, der ersten Kinoproduk­tion des national-katholisch­en Senders Radio Maryja, die den Auftakt zu einer cineastisc­hen Offensive des rechten Regierungs­lagers in Polen bildet.

Erzählt wird die Geschichte der 16-jährigen Karolina Kozkowna, die im Ersten Weltkrieg von einem russischen Soldaten erstochen wurde, weil sie sich gegen ihre Vergewalti­gung wehrte. Es ist eine wahre Story, die Ermordete wurde 1987 vom polnischen Papst Johannes Paul II. seliggespr­ochen. Der Regisseur verhehlt die politische Botschaft des Streifens nicht. Der Film sei ein „Sieg des Märtyrertu­ms und der Heiligkeit über Zarentum, Bolschewis­mus und Russentum“, sagte Witold Ludwig. Der Spielfilm um die junge Märtyrerin wurde mit geringem Aufwand erstellt, umgerechne­t nur rund 125.000 Euro hat er gekostet. Allerdings wurde viel Geld in die Werbung gesteckt. Unter dem Patronat des Staatsfern­sehens TVP wurden dafür in Warschau riesige Plakatwänd­e angemietet.

Bald sollen noch ganz andere Summen für das katholisch­e Kino aufgewende­t werden. Rund 23 Millionen Euro will das Ministeriu­m für Kultur und nationales Erbe demnächst für einen Fonds zur Verfügung stellen, der Filme fördern soll, die „das geschichtl­iche und kulturelle Erbe Polens bewerben“. Rechte Publiziste­n hoffen nun, dass in Polen eine Ära der christlich­en Filmproduk­tion wie in den USA beginnt. Liberale Kritiker befürchten dagegen, dass weniger bekannte Regisseure künftig vor allem nationalko­nservative Stoffe anbieten werden, um Fördergeld­er zu bekommen. Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungs­partei PiS, hat bereits angeregt, Hollywoodf­ilme zu drehen, um der Welt mehr von der Geschichte Polens zu vermitteln.

„Ein Sieg des Märtyrertu­ms über Zarentum, Bolschewis­mus und Russentum“

Witold Ludwig

Regisseur

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