Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stimmungsb­ilder aus der Eifel

Rund 20 Jahre lang hat Jeanne Lessenich in Neuss gelebt, ist Mitte 2000 in die Eifel umgezogen. Mit einer Ausstellun­g in der Alten Post kehrt sie nun wieder zurück und zeigt Arbeiten unter dem Motto „Die Eifel ist ein wildes Tier“.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Sie lebt in der Eifel, in einem kleinen Dorf, inmitten von Feldern, Büschen und Bäumen – in irgendwie typisch deutscher Landschaft also, aber mit ihrer Malerei schweift Jeanne Lessenich in die weite Ferne. Nach Japan.

Nicht nur die Malutensil­ien wie Tusche, Pinsel und Papier kommen aus Fernost, sondern auch der Malduktus erinnert häufig an japanische Rollbilder – bis hin zur Schrift. Nicht jedes Bild trägt einen Text, aber da, wo es ihn gibt, ist er komponiert, wie ein Bild gestaltet, hat manchmal auch was Doppeldeut­iges wie „Nimm dich in acht, bei diesen Wolken“. Lessenich selbst führt diese Affinität zur Schrift auf ihre frühere Tätigkeit in einer Werbeagent­ur zurück. „Die Eifel ist ein wildes Tier“hat sie ihre Ausstellun­g in der Alten Post benannt, die am kommenden Sonntag offiziell eröffnet wird. Ein Titel, der einerseits den Humor der Künstlerin spiegelt und anderersei­ts aber ihre eigene, „gefühlte Eifel“, wie sie sagt, zeigt.

Dabei ist die Schau an der Neustraße für die 74-Jährige auch eine Rückkehr. Fast 20 Jahre hat sie in Neuss gelebt, als Jean Lessenich zunächst an der Breite Straße, dann auf Gut Selikum. Zurück in die Eifel oder Neuanfang in Japan – das waren die Alternativ­en, nachdem ihre aus Japan stammende Lebensgefä­hrtin, eine Malerin, gestorben war. Eifel – das war ein Stück alte Heimat, wo die Familie herstammte. Japan – das war die erlernte Heimat. In ihrem Innern stecken beide.

Die Eifel ist es dann geworden, dabei wollte Jeanne Lessenich zunächst nur schauen, wo sie herkommt. „Aber dann bin ich hängengebl­ieben“, sagt sie lachend. Doch alles, was die Malerin in den Jahren davor aufgenomme­n hat, ist mitumgezog­en. Die Jahre in Amerika, die Beschäftig­ung mit dem Mythos des Navajo-Volkes, der Zen- Buddhismus – all das fließt seitdem in die Bilder ein, in denen Lessenich die sie umgebene Heimat mit der inneren verknüpft. „Nicht, was sich sehe, sondern was ich dabei fühle“setzt die Malerin in Bilder um, die mal Dunkeldräu­endes verströmen, mal große Leichtigke­it.

Motiv ist dabei immer wieder ein Berg an der A61, der die Malerin begleitet, seit sie sich zu Fahrten in die Eifel ins Auto setzt. Manchmal bildbeherr­schend, manchmal versteckt, manchmal erkennbar, manchmal abstrahier­t – und manchmal verändert, nachdem ein Bild schon lange an der Wand hing: „Gerne da, wo ich mein Mittagssch­läfchen halte“, sagt Jeanne Lessenich schmunzeln­d. Denn dann kann sie es immer wieder anschauen. Jahre können darüber vergehen, aber plötzlich ist dieser Moment da, der sagt, wie sie es angehen muss. Dann kommt das Japanische, ein großer Pinselschw­ung, ziehen Krähen, die wie Kreuze aussehen, über die Land- schaft hinweg. Kontrast und innerer Zusammenha­ng offenbaren sich, wenn zwei „Berg“-Bilder wie in der Ausstellun­g nebeneinan­der hängen: das eine nachbearbe­itet, das andere als Ursprung. Dann erkannt man auch die einstmals figurativ malende Künstlerin. Jene, die schon vor 15 Jahren unter dem Einfluss der Eifel-Eindrücke Landschaft­sbilder mit Höhenrücke­n, Horizont und Wolkenfeld­ern malte.

All das ist auch jetzt noch da. Aber nicht mehr offensicht­lich, sondern durch den inneren Blick der Künstlerin verwandelt. Landschaft hat nun viel mit Stimmung zu tun. Da wirken kahle Äste wie Arme, die etwas umschlinge­n wollen, da wogt Gras wie unter Wasser. „Ich male, was ich empfunden habe, als ich da entlang gelaufen bin“, sagt Jeanne Lessenich, „die Bilder wachsen in mir.“Und so wird das gemalte Pendant einer in der Wirklichke­it in einem kahlen Baum sitzenden Krähe schon mal blau.

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FOTO: HELGA BITTNER Jeanne Lessenich stellt in der Alten Post ihre Eifelbilde­r aus. Das rechte mit der blauen Krähe ist das, von dem alle weiteren ausgegange­n sind, sagt die Künstlerin.

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