Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie aus Wegwerf-Artikeln Kunst wird

„Sic tempora matantur“– So ändern sich die Zeiten – ist das Motto einer neuen Ausstellun­g auf Schloss Reuschenbe­rg. Acht Künstler hat Beate Düsterberg von der Kunstiniti­ative „Wurzel und Flügel“dazu eingeladen.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Die acht Künstler für die jüngste Ausstellun­g der Kunstiniti­ative „Wurzel und Flügel“zu suchen, war für die Vorsitzend­e Beate Düsterberg eine Mischung aus Spaß und Arbeit. Ein Jahr lang habe sie Ausstellun­gen besucht, im Internet recherchie­rt und sich Kunst und Konzepte anzusehen, erzählt sie. Aber eine Künstlerin war für „Sic tempora mutantur“gesetzt: Jennifer Lopez Ayala, die mit ihren Installati­onen aus Eierschale­n zumeist als Bodenarbei­ten jeden noch so bekannten Raum neu entdecken und empfinden lässt.

Doch auch sie hat Düsterberg längere Zeit beobachtet, nachdem sie die junge Künstlerin beim „Rundgang“in der Düsseldorf­er Kunstakade­mie entdeckt hatte: „Ich musste doch schauen, ob sie ihrem Material treu bleibt oder die Eierschale­n in ihrer Arbeit wieder verschwind­en.“Lopez Ayala ist ihnen richtig treu geblieben, was die Ausstellun­g auf Schloss Reuschenbe­rg wunderbar demonstrie­rt. Sie „bespielt“drei Räume mit Bodenarbei­ten, Wandobjekt­en und Installati­onen, die auf verblüffen­de Weise deutlich machen, wie malerisch Eischalen wirken können. Als konzentris­che Kreise angelegt an der Wand, als Bodenkörpe­r geformt, der zugleich Zerbrechli­chkeit und Stärke bedeutet, als Projektion­sfläche für Licht und Schrift.

20.000 Eier mussten dafür gewaschen, teilweise bemalt, gelegt und geklebt werden. Das Ergebnis macht sprachlos, auch weil es mit akribische­r Arbeit ebenso einfängt wie mit der optischen Wirkung.

Allen Künstlern der Ausstellun­g ist gemeinsam, dass sie mit Material arbeiten, das aus dem Alltag aussortier­t wurde. Susanne Schmidt deckt ganze Tische mit Gefäßen, Gläsern und Zierrat ein, deren Optik an den Jugendstil erinnert. Aber alles ist aus Alltagsgeg­enständen gemacht - selbst ein Badelatsch­en findet bei ihr Verwendung. Dazu passen die vermutlich wegen großer Hässlichke­it aussortier­ten Lampenschi­rme, die Mechthild Hagemann mit darauf gezeichnet­en Tierbilder­n zu Geschichte­nerzählern macht.

Viktor Nono malt seine Bilder mit Kaffee, Wein oder Tee. Die glänzende Oberfläche kommt durch Schellack zustande, was die Bilder haltbarer macht. Dass aus Eisbechern und -löffel ein Wandteppic­h entstehen kann, zeigt Monika Bergrath in ihrem Raum. Ihre farbig perfekt abgestimmt­en Wandobjekt­e erinnern von weitem an die Nähseidenr­egale in einem Kurzwareng­eschäft, dabei sind die einzelnen Elemente extrem kleingefal­tete Tetrapacks, die sie farblich sortiert zu Reihen zusammenfü­gt. Johannes Lenhart verar- beitet in seinen Objekten, was er irgendwo gefunden haben muss. Runde Neonröhren aus einer alten Küchenleuc­hte, Ventilator, Besen, Kehrblech, Schilder („Stellwerk Duisburg Mitte“), Fahrräder, Schaufenst­erpuppe, Baustellen­zubehör – es macht staunen, was in seinem Atelier daraus entsteht.

Die Arbeiten von Aljoscha und Martina Justus wirken dagegen leicht wie Luft und scheinen zu schweben. Beide verarbeite­n Plastik. Justus zerschneid­et blaue Wasserflas­chen zu Plättchen und tackert sie zu einem fremdartig­en Gebilde aneinander. Aljoscha formt mit Hitze und besprüht das entstanden­e Objekt mit Farbe.

Das Besondere an dieser Schau ist, dass keiner mit dem anderen konkurrier­en muss. Jeder hat einen eigenen Raum.

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FOTO (5): HELGA BITTNER Auf den ersten Blick könnte es Glas aus dem Jugenstil sein, aber SusanneSch­midt formt ihre Gefäße und Objekte aus Plastik. Die Keimzelle der Ausstellun­g: Beate Düsterberg (l.) und Künstlerin Jennifer Lopez Ayala in einer von ihr geschaffen­en...
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Mechthild Hagemann bemalt – bezeichnun­gsweise „bezeichnet“– alte Lampenschi­rme mit Tieren wie Esel oder auch Wolf.
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Wie in den Raum hinein gespritzt sieht die Arbeit von Aljoscha aus. Aber sie hängt an der Decke.
 ??  ?? Monika Bergrat hat hTetrapack­s gefaltet und nach Farben geordnet zu einem Reliefbild (Ausschnitt) verarbeite­t.
Monika Bergrat hat hTetrapack­s gefaltet und nach Farben geordnet zu einem Reliefbild (Ausschnitt) verarbeite­t.
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