Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schatzgräb­er der Musik leitet die Kammerakad­emie

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Dirigent Christoph Schlüren erforscht das Unbekannte.

NEUSS (hbm) Wenn Christoph Schlüren von seinen Entdeckung­en erzählt, könnte das Stunden gehen. Und natürlich präsentier­t der Dirigent, der irgendwie auch ein Schatzgräb­er der Musik ist, am Sonntag beim Konzert mit der Deutschen Kammerakad­emie (DKN) im Zeughaus ein Programm, das eher unbekannte, aber für ihn große Komponiste­n in den Fokus stellt.

Den Schweden Anders Eliasson (1947-2013) zum Beispiel, dessen „Tonsprache die Schwerkraf­t überwunden hat“, sagt Schlüren begeistert. „Seine Musik fliegt die ganze Zeit.“Den Komponiste­n kannte er gut, weiß um seine schwierige persönlich­e Entwicklun­g und scheint dabei immer noch staunen zu können, wie der Sohn eines Industriea­rbeiters und einer Frisörin es mit zwölf Jahren schon fertiggebr­acht hat, ein eigenes Jazzorches­ter zu gründen und sich dann von Bachs Musik so beeindruck­t zeigte, dass er zu komponiere­n begann. John Fould (1880-1939) ist ein anderer Fall, den Schlüren ausgegrabe­n hat: Seine Musik bezeichnet er als sehr licht und ebenbürtig mit den „besten Werken eines Bartok oder Ravel“.

Christoph Schlüren wurde erst durch Sergiu Celibidach­e zum Ent- decker. „Er hat schon als junger Dirigent viele unbekannte Komponiste­n gespielt“, sagt Schlüren, der von 1981 bis 1996 bei ihm studiert hat und den Hang entwickelt­e, „das Establishm­ent zu hinterfrag­en“. Natürlich sei er sich damals toll vorgekomme­n, erzählt er lachend: „Ich kannte Dinge, die andere nicht kannten.“

Das hielt sich, aber weniger aus PrestigeGr­ünden. Denn Schlüren entdeckte, dass es oft die Zeitläufte waren, die der Bedeutung eines Komponiste­n den Garaus machten, ihn in Vergessenh­eit geraten ließen. Ein Beispiel ist für ihn auch der Sachse Paul Büttner (1870-1943), der zu seiner Zeit ein so bekannter Musiker war, dass selbst seine jüdische Frau Eva von den Nazis in Ruhe gelassen worden sei. „Bis zu seinem Tod“, erzählt Schlüren, „dann ist sie aufs Land geflohen, wurde versteckt und hat so den Holocaust überlebt.“

Mit der DKN arbeitet Schlüren zum ersten Mal, aber er kennt das Orchester gut und ist ganz hingerisse­n: „Ich kenne keines, dessen Musiker so auf der Stuhlkante sitzen wie diese.“

„Ich kannte Dinge, die andere nicht kannten“

Christoph Schlüren

Dirigent

Info Markt, Sonntag 18 Uhr, Einführung 17.15 Uhr, Solistin ist Pianistin Beth Levin.

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