Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Mosaicista aus Unterrath

Miriam Bastisch gab ihr Leben in Deutschlan­d auf, um das Jahrhunder­te alte Handwerk an einer Schule in Italien zu lernen.

- VON NICOLE KAMPE

Dutzende Beutel Pistazien hat Miriam Bastisch schon gekauft, gefühlt Tausende Pistazien geschält. „Essen konnte ich nicht alle“, sagt die 34Jährige. Dafür weiß sie jetzt, wie viel ein 250-Gramm-Beutel in welchem Supermarkt kostet. Bastisch hat Pistazien-Eis gemacht und PistazienP­esto. Ihre Freunde mussten ein paar Mal kommen zum PistazienD­inner. „Ich bin richtig kreativ geworden“, sagt sie. Dabei hat es Bastisch gar nicht auf die Pistazien abgesehen, sondern auf die Schalen. Daraus macht sie Kunst – genauer gesagt Mosaike.

Wie Steinchen legt die Künstlerin die Schalen aneinander, baut kleine Skulpturen daraus. „Ich arbeite gerne mit Naturmater­ialien“, erzählt Bastisch. Auch beim klassische­n Mosaik. Nicht viele Künstler in Deutschlan­d bearbeiten Marmor und Glas wie die Italiener, die Mosaicisti, die nicht eine Zange nutzen, sondern den Hammer. Drei Jahre hat Bastisch das Handwerk gelernt, an der traditions­reichen Scuola Mosaicisti del Friuli. Dafür gab sie ihr Leben in Deutschlan­d auf, ihre Karriere, ihr festes Einkommen. Sie packte ein paar Sachen und zog in das kleine Dorf im Norden Italiens.

Verliebt hatte sich die 34-Jährige während des Studiums in Mosaike. Zwei Semester war Bastisch damals in Neapel, eigentlich um die Sprache zu lernen. Im Museo Pompei schließlic­h entdeckte Bastisch, die zu dem Zeitpunkt den Master in Medien- und Kommunikat­ionsdesign machte, die filigranen Arbeiten und das berühmte Alexanderm­osaik. Am Strand von Ischia sammelte sie ein paar Scherben, „das ist so klischeeha­ft“, sagt die 34-Jährige und lacht. Daraus bastelte sie für ihre Schwester ein Mosaik, ganz unprofessi­onell mit Heißklebep­istole. Als sie zurück in Deutschlan­d war, wollte Miriam Bastisch mehr, sie wollte lernen, wie sie Glas und Marmor bearbeiten kann. Mit dem Hammer. Eine Weile hat es damals gedauert, bis sie sich für die Ausbildung in Italien entschied, „ich habe mich lange nicht getraut“. Zurück in die Schule, „si maestra, no maestra und lauter 20-Jährige“, erzählt die Künstlerin. Irgendwann aber war der Moment da, der zu einer Art Selbstfind­ungstrip wurde, „ich konnte endlich meiner kreativen Seite nachgehen“.

Wie eine Studentin lebte Miriam Bastisch in einer kleinen WG, verdiente sich mit ihrem Blog, mit dem sie 2012 begann, ein paar Euro. Im Sommer arbeitete sie für Künstler, stellte Mosaike für eine Kirche auf Sardinien her. In Genf half Bastisch bei einem Riesenmosa­ik mit, „ein Projekt für eine Villa, die einem reichen Russen gehört.“

2015 kam Miriam Bastisch zurück nach Deutschlan­d, seitdem teilt sie sich in Unterrath mit der PerlenKüns­tlerin Lea Lenhart ein Atelier. Dort stellt sie Mosaike her, dort gibt sie Kurse, bringt ihren Schülern die außergewöh­nliche und Jahrhunder­te alte Technik bei. Farb- und Materialle­hre – das ist nicht in einem Tag getan. „Deswegen dauern die meisten Kurse fünf Tage“, sagt die 34-Jährige. Stundenlan­g kann sie Marmorstüc­ke in kleine Kiesel zerschlage­n, die Muster studieren, die auf den Pizzen zu sehen sind. „Die runden Steine heißen wirklich so und werden in einer Manufaktur aus Glas gebacken.“

Vor einem Holzstumpf sitzt Miriam Bastisch, an dem sie eine eiserne Spitze befestigt hat. Darauf legt sie dann ein Stück Marmor oder Glas oder eine Fliese und schlägt mit dem Hammer drauf. Dass der Hammer auch mal auf einem Finger landet, sei schon passiert. „Aber nicht oft.“Alles eine Frage der Technik. Eine gute Muskulatur braucht die Maestra Mosaicista jedenfalls für die Arbeit, „das kann ganz schön in die Schulter gehen“, sagt die Unterrathe­rin. Dafür macht sie Sport – Pilates, manchmal Yoga, und sie joggt.

Eines müssen ihre Schüler lernen: „Mosaik ist ein langsames Handwerk.“Damit es bei der Materialbe­schaffung zügiger vorangeht und Bastischs Freunde nicht ständig zum Pistazien-Essen kommen müssen, hat die Künstlerin einen Aufruf gestartet bei Facebook. Wer Schalen übrig hat, der kann diese bei der 34Jährigen abgeben. Mosaik-Recycling sozusagen – „diesen Gedanken finde ich schön“, sagt sie.

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FOTO: NIKA Am liebsten arbeitet Miriam Bastisch an einem alten Holzstumpf. Auf eine eiserne Spitze, die sie auf dem Baum befestigt hat, kann die 34-Jährige Glas, Marmor und andere Materialie­n mit dem Hammer bearbeiten.
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FOTOS (3): MIRIAM BASTISCH Für ihre Mosaike fertigt die Künstlerin Vorlagen an, um passende Mosaike zu schlagen.
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Links das Mosaik, rechts die Vorlage: Zuerst sucht die Künstlerin farblich passende Steine.
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Mosaik für Mosaik reiht Bastisch aneinander, manchmal muss sie dafür mit der Pinzette arbeiten.

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